Das Mädchen und der Zauberer
wolle er sich Luft einpumpen. Da erst sah er Coulbet auf dem Holzklotz, ließ die Arme herunterfallen und wischte sich über das staubige Gesicht.
»Das ist auch keine Arbeit, nach der man sich drängt, was?« sagte Coulbet gemütlich. »Bis heute habe ich immer geglaubt, Geologen sammeln Steinchen und begucken sie sich, als seien es Diamanten, und verkünden dann klug: Der ist 20 Millionen Jahre alt. Wer will ihnen das Gegenteil beweisen?« Coulbet lachte laut. »Casarette, Sie aber scheinen mir ein Besessener zu sein. Wollen Sie sich bis zum Magma des Pelée durchwühlen?«
»Wie lange sind Sie schon hier, Commissaire? Haben Sie lange gewartet?«
»Keine zehn Minuten. Er muß ja gleich kommen, habe ich mir gedacht. Es ist Mittagszeit. Das wird ihn zum Fleischtopf treiben.« Coulbet erhob sich und kam Casarette entgegen. »Was essen Sie eigentlich so zu Mittag?«
»Am meisten Obst. Kochen tue ich am Abend. Und dann meistens irgend etwas am Grill. Hier ist der Tisch immer gedeckt. Wilde Kaninchen, Hasen … wissen Sie, daß es auf der Insel auch wilde Schweine und wilde Ziegen gibt? Ich weiß, wo sie sich rumdrücken … da gibt es ganz in der Nähe eine Schlucht, überwuchert von Baumfarnen und Wollbäumen, die ist voll von wilden Ziegen! Martinique hat noch wirklich paradiesische Ecken …« Er ging zu einer Pumpe, drückte aus ihr Wasser in einen großen Holztrog und streifte seinen staubüberzogenen Overall herunter. »Wenn Sie noch keinen nackten Mann gesehen haben, Commissaire, dann sehen Sie schamhaft zur Seite.«
»Noch nie einen nackten Geologen.« Coulbet lachte laut. Casarette stieg in den Trog, schnaufte und tauchte unter.
»Auch ein Geologe hat alles dort, wo es sein soll!« keuchte er. »Hach, ist das kalt! Reines Gebirgswasser. Ich habe mir eine Leitung von einer Quelle gelegt. Die kann ich mit der Pumpe ansaugen.«
»Genial, Casarette! Es sieht so aus, als wollten Sie für immer auf Martinique bleiben.«
»Gibt es etwas Schöneres auf der Welt? Wissen Sie, was Columbus am Sonntag, dem 15. Juni 1502 schrieb? ›Das ist die beste, die fruchtbarste, die lieblichste, die gleichmäßigste, die reizendste Gegend auf der ganzen Welt!‹ Was kann man über ein Land mehr sagen? Und Martinique ist so geblieben! Nicht an den Küsten, zugegeben, da rollt das Touristengeld. Aber hier, im Inneren, das noch uns gehört, sind Columbus' Worte noch gültig.«
»Darauf müßte man jetzt einen trinken! Das war ja eine Hymne, Casarette! Und die singt einer, der sich in einen Berg wühlt und die Lunge so voll Staub nimmt, daß er sie mit dem Husten fast auskotzt!«
»Es gibt auch andere Stunden.« Casarette kletterte aus dem Bottich, trocknete sich mit einem Frotteetuch ab und schlang es dann um seine Hüften. »Was kann ich Ihnen anbieten, Commissaire? Mangos, Gujave, Ananas, Corossol, Papayas … hier wächst mir alles in den Mund.«
Coulbet schüttelte den Kopf. »Danke, Casarette. Ich muß weiter. Ein Geologe hat es gut. Der kann Steinchen klopfen, wann er will, ein Polizist aber ist immer auf der Jagd nach Verbrechern.«
»Auf Martinique? Sie übertreiben, Commissaire. Die wenigen kleinen Sünder …«
»Sehen Sie: Diese andere Insel kennen Sie nicht. Die wenigsten wissen, was hier im Hintergrund alles passiert.«
Coulbet sah Casarette zu, wie er auf einem Tisch Mangos zerteilte und entkernte. Sie waren so saftig, daß Casarette der Saft die Mundwinkel herunterlief. Genußvoll kaute und schlürfte er. »Sie haben wenig Kontakt zur Außenwelt, was?«
»Das kommt darauf an, wie Sie es sehen. Wenn ich hier die Schnauze voll habe – und das ist meistens am Sonntag, ich sehe es ja nur auf dem Kalender, wann Sonntag ist – setze ich mich in meinen Wagen und fahre ins sogenannte pralle Leben. Nach Basse-Pointe etwa, oder weiter nach Marigot.« Casarette kam vom Tisch, eine saftige Mango in der Hand. »Ein Tip, Commissaire: In Marigot gibt es einen tollen, geheimen Puff! Da sollten Sie als Privatmann mal hin.«
»Da haben Sie's!« Coulbet schlug die Fäuste zusammen. »Immer was Neues, von dem die Polizei keine Ahnung hat. – Besuch bekommen Sie wohl nie?«
»Doch. Sie, Commissaire.«
»Nur durch einen Zufall, weil ich einen Umweg machte, um in Ruhe nachzudenken.« Coulbet erhob sich von dem Hauklotz und stopfte sein verrutschtes Hemd in die Hose zurück. »Ich werde Sie ab und zu in Ihrer Einsamkeit trösten, Casarette. Ich werde jetzt öfter vorbeikommen.«
»Das wird eine Freude werden. Nehmen Sie
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