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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Einsamkeit tut! Ein Jahr lang, man sieht, es ist ihm blendend bekommen.
    »Wollen Sie Honig?« rief Casarette von seinem Tisch herüber, als Jeanette und Aubin saßen und Baguettescheiben mit Marmelade beschmierten. »Echter Urwaldhonig! Aus Hibiskus und Bougainvilleas, gemischt mit Kakaoblüten und Vanille! So einen Honig bekommen Sie auf der ganzen Welt nicht!«
    »Danke! Wir haben alles!« erwiderte Aubin.
    »Dann nicht.« Casarette trank seinen riesigen Emaillebecher leer, spülte ihn aus und ging in seine Hütte zurück. Aubin ist ein sturer Sack, dachte er. Aber er ist zu knacken. Er platzt vor Eifersucht. Wenn es mir gelingt, Jeanette zu küssen, wird er platzen und weiterfahren. Das ist die simpelste Art, ihn loszuwerden. Die komplizierteste wäre, ihn und die schöne Jeanette samt Auto und Campingausrüstung verschwinden zu lassen. Verschollen im Urwald … falls man nach ihnen suchen sollte. Und wo sollte man mit dem Suchen anfangen?! Es gab keine Spuren mehr von ihnen. Wer gräbt schon zugeschüttete Höhlen aus?
    Er stellte sich ans Fenster und beobachtete Jeanette und Aubin, wie sie gemütlich ihr Frühstück einnahmen. Natürlich konnte er nicht hören, wie Jeanette leise zu Aubin sagte: »In der Nacht bin ich aufgestanden, mußte mal hinaus, und …«
    »Hab' nichts gehört!« sagte Aubin und kaute seine Baguettescheibe.
    »Das habe ich gemerkt.« Sie beugte sich etwas über den Tisch vor. »Warum schläfst du auf einem Kopfkissen, unter dem eine Pistole steckt?«
    Das war der Augenblick, in dem der Bissen in Aubins Mund zu einem harten, dicken Kloß wurde.
    Die Gegend, die Jules Tsologou Totagan im Trancezustand gesehen hatte, konnte nur das Gebiet im Dreieck Vert-Pré – St. Joseph – Le Robert liegen. Hier lagen auch die großen Plantagen für Zuckerrohr und Ananas, Vanille und Zimt, und Jules rief von der Drogerie der Mamissi Wata Danielle Paquier einen guten Freund in Le Robert an und fragte, welche weißen Farmer es in diesem Landstrich gebe.
    Die Auskunft war nicht ertragreich. Der Freund nannte ein paar Namen, aber Jules spürte in seinem Inneren, daß keiner von diesen der Mann war, der Alice Anamera so zugerichtet hatte.
    »Wir fahren sie alle ab, die Farmen«, sagte er und starrte über das Meer. Danielle hatte nach dem Voodoo-Zauber einen riesigen Topf voll Fleisch mit kreolischen Bohnen gekocht, und als Jules sah, wie Mamissi Wata dreiviertel des Topfes allein verschlang, wunderte er sich nicht mehr, daß aus einem hübschen, schlanken Mädchen in dreißig Jahren so ein Gebirge aus Fleisch und Fett geworden war. »Alice und ich werden ihn finden. Und dann gehst du nach Hause, Alice, und vergißt diesen Tag.«
    »Ich möchte dabei sein, Onkel Jules.« Ihre großen schwarzen Augen glänzten fiebrig. Noch sah man, trotz aller Mittel aus Danielles geheimer Priesterapotheke, die Reste der Mißhandlungen auf ihrer bronzefarbenen Haut. Vor allem ihre linke Brust zeigte noch deutlich, als blaue tiefe Abdrücke, die kräftigen Zähne des Mannes.
    »Es ist kein Anblick für Mädchen«, sagte Jules verschlossen.
    »Ist es etwas anderes, als wenn du ein Tier tötest?«
    »Nein!« Jules blickte ernst auf Alice. »Nein, es ist ja ein Tier! Daß es wie ein Mensch aussieht, ist nur eine Laune der Natur.«
    »Wie willst du ihn opfern, Onkel Jules?«
    »So, wie man den Göttern immer opfert.«
    »Ich möchte, daß du mir ein Messer gibst und ich dir dabei helfe.«
    »Das ist nicht möglich. Du bist nicht dem Voodoo geweiht. Das Opfer wäre umsonst.«
    »Ich will ihn nicht opfern, ich will ihn nur schreien hören, lauter, als ich geschrien habe. Ich will in seinen Augen die Todesangst sehen, und dann werde ich mich umdrehen und weggehen.« Ihre Augen glühten, über das wunderbar feine, zarte Gesicht lief ein Zucken. »Erst dann kann ich vergessen.«
    »Wir wollen sehen, Alice.« Jules Totagan löffelte den Rest der dicken Bohnensuppe aus der Schüssel, zündete sich dann eine Zigarre, Marke Ambassadeur an, und setzte sich vor die Drogerie auf eine Bank. Er blickte über Strand und Meer und dachte an die schöne weiße Frau aus Deutschland, an der die vernichtende Kraft seines Voodoo-Stockes wirkungslos abgeprallt war. Nur noch ein paar Tage, Josephine, mein kleiner bunter Vogel, ein paar Tage Geduld nur noch. Sie wird nie die Madame Birot werden! Vom Pferd wird sie stürzen und sich das Genick brechen, oder ein umstürzender Baum wird sie erschlagen, oder ihr Auto wird explodieren, oder ihr Boot wird im

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