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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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waren augenblicklich gebrochen, als sie den Voodoo-Houngan hatten eintreten sehen und ihn erkannten, das Antippen seines Stabes versetzte sie in völlige Willenlosigkeit.
    So hinderte niemand mehr Jules und Alice Anamera, durch das Haus zu gehen und die hintere Terrasse zu betreten. Das Abendrot warf seinen blutigen Schimmer auch über den sitzenden Pierre Murat. Es war die richtige Stimmung und die richtige Farbe für seine nun ausweglose Situation.
    »Guten Abend, Monsieur«, sagte Jules höflich mit seiner tiefen Stimme.
    Mit einem Ruck sprang Murat aus dem Sessel und warf sich herum. Zunächst sah er nur den Alten, einen hochgewachsenen, muskulösen kreolischen Greis, der sich auf einen geschnitzten Stock stützte, aber beim zweiten Blick erkannte er hinter diesem Alten die zarte Gestalt von Alice und ihre großen, weitaufgerissenen Augen. Sie trug wieder das befleckte, über den Brüsten zerrissene Kleid, das sie in der Garage von Fort de France angehabt hatte und das er ihr über den Kopf gezerrt hatte, als er über sie hergefallen war.
    »Ist er das, mein Töchterchen?« fragte Jules ruhig und zeigte mit dem geschnitzten Stock auf Murat.
    »Ja. Er ist es, Onkel Jules!« antwortete Alice mit ruhiger, fester Stimme.
    »Was ist denn das?!« brüllte Murat sofort los. »Wie kommt ihr hier rein?! Schläft denn hier alles? Felix! Alain! Ihr Hurensöhne! Alain –«
    Er wollte ins Haus laufen, aber da schnellte Totagans Stock vor und war wie eine unüberwindbare Schranke. Murat prallte einen Schritt zurück und ballte die Fäuste:
    »Aha! So ist das? Kassieren will man?! Das Onkelchen kommt mit, um den Wert festzulegen? Na, wie ist der Preis? Was kostet so eine kleine Blumenhure? War nicht besonders gut, das Püppchen, bin anderes gewöhnt … noch keinerlei Erfahrungen, nur ein Stückchen Fleisch … Onkel Jules, du kannst nur ein Zehntel des sonstigen Preises verlangen.«
    Er wollte schnell in eine Hosentasche greifen, nicht nach hinten, wo die Geldbörse war, sondern nach links, wo er immer den kleinen Revolver trug, eine kurzläufige Smith & Wesson, die er mit Dumdum-Munition geladen hatte, diesen bestialischen Patronen, denen man' die Spitze abgekniffen hat und die handgroße Löcher reißen.
    Aber Murat kam nicht mehr an seine Waffe. Blitzschnell schlug Totagan zu. Der Voodoo-Zauberstab traf krachend die Hand Murats, es gab einen knirschenden Laut, Murat brüllte dumpf auf und lehnte sich gegen die Hauswand. Sein Unterarm war durch den harten Hieb gebrochen worden. Unbeweglich, wie eine Statue, stand Jules in der untergehenden Sonne.
    »Felix! Alain!« brüllte Murat. »Hierher! Ruft die Polizei! Gebt Alarm!« Er knirschte mit den Zähnen, verzog vor Schmerzen das Gesicht und stützte mit der gesunden Hand den gebrochenen Arm. Aber im Haus rührte sich niemand. Erst langsam begriff Murat, in welcher Lage er war. Es waren vielleicht zwei stille, aber unendlich lange Minuten, die er dazu brauchte. Doch als ihm klar war, daß niemand ihm zu Hilfe kam, daß im Haus, in seinem Haus, das fast eine Festung war, etwas Unvorstellbares geschehen sein mußte, daß er allein war gegen einen alten Mann, der ihm mit einem dicken geschnitzten Stock den Unterarm zertrümmert hatte, mit einem einzigen Schlag, und der nun dastand, regungslos, wie eine geschnitzte Götterfigur gegen den blutroten Himmel der untergehenden Sonne, da fiel auch die Stärke des großen Plantagenherren von ihm ab. Er wurde ein in die Enge getriebener, geschlagener Mensch, der verzweifelt nach einem Ausweg suchte.
    »Was verlangt ihr?« fragte er mit mühsam fester Stimme. »Ihr verdammtes Lumpenpack! Tausend Francs? Und das Versprechen, nichts zu melden? Das ist mehr als genug für die paar Minuten in der Garage …«
    »Sie haben Alice zerbrochen, Monsieur«, sagte Jules Totagan mit tiefer, ruhiger Stimme und größter Höflichkeit.
    »Du alter Narr! Frag sie mal, wie oft sie's schon getrieben hat.«
    »Alice war unberührt, Monsieur.«
    »Das kannst du dem Wind erzählen, und der bläst es weg … so viel ist das wert!«
    »Sie haben Alice Gewalt angetan, Monsieur. Ihre Seele ist zerstört bis ans Ende ihrer Tage. Nie mehr wird sie so fröhlich sein wie vorher. Ihr Lachen ist verstummt. Ihre Augen sind für immer getrübt. Sie wird mit den Tränen leben.«
    »Das ist ein bühnenreifes Plädoyer!« schrie Murat, von Schmerzen zerrissen. Sein Arm brannte wie im lodernden Feuer. »Zweitausend Francs für das arme Seelchen. Aber keinen Sou mehr! Gehen

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