Das Mädchen und die Herzogin
hatte?
Überhaupt war diese Doppelhochzeit ein einziger Skandal. Sabina liebte zwar ihren schrulligen Kaiseronkel, den man ‹den letzten Ritter› nannte, obwohl er doch inzwischen ein unscheinbarer alter Mann im ewig gleichen grünen, alten Röcklein war, den man nur an seiner großen Nase als Kaiser erkannte. Nun aber trieb seine Heiratspolitik immer seltsamere Blüten.
Nicht nur, dass er seine erst zehnjährige Enkelin Maria mit dem noch jüngeren ungarischen Königsspross Lajos vermählen wollte. Viel ungeheuerlicher war, dass er selbst, als greiser Witwer, Lajos’ zwölfjährige Schwester pro forma zu ehelichen und zur Kaiserin zu machen gedachte, um sie später an einen seiner Enkelsöhne zu übergeben. Das alles nur, um sein geliebtes Habsburger Haus zur Doppelmonarchie zu erheben.
Ging es ihm denn nur noch um Ruhm und Macht, dass erkein Auge mehr für die Menschen hatte und seine Nichten und Enkelinnen an irgendwelche Regenten verschacherte wie ein Stück Vieh? Oder war sein Herz durch den eigenen Liebesschmerz mit Maria von Burgund zu Stein geworden? Im ganzen Reich ging schon der Spruch: Bella gerant alii, tu felix Austria nube – andere mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate! An das Glück der Bräute dachte dabei niemand.
O nein, sie wollte dieses traurige Spektakel gar nicht mit ansehen, und an der Seite ihres Gemahls schon dreimal nicht. Wie konnte der Kaiser noch immer seine schützende Hand über diesen Menschen halten? Was musste denn noch geschehen? Wenn sich ihr Oheim als so schwach erwies, dann mussten eben die wirtembergischen Landstände überzeugt werden, dass Ulrich seinem Land nur Schaden brachte.
So reiste sie denn statt nach Wien mit einer kleinen Schar Gerüsteter ins nahe Stuttgart, um dort auf dem Landtag zu sprechen. Der Herzog selbst sah sich nicht genötigt, zu diesem Anlass seine Wiener Reise zu unterbrechen, und Sabina war das gerade recht.
Voller Hoffnung kehrte sie zwei Wochen später aus Stuttgart zurück. Nicht nur die überaus angesehene Hutten’sche Familie hatte auf einen Regimentswechsel gedrängt, auch die wirtembergischen Landstände hatten offen ihre Empörung gezeigt über Ulrichs Verhalten, und sogar ihr Bruder Wilhelm hatte zwei Räte nach Stuttgart geschickt. Einer davon war jener Doctor Leonhard von Eck, der ganz den Eindruck machte, als würde er mit eisernen Besen kehren.
Die Herren Deputierten hatten sie nur ungern ihre Beschwerden vortragen lassen, und am Ende war der Landtag in seiner Zögerlichkeit nur zu einem einzigen Ergebnisgekommen: nämlich einen neuen Landtag einzuberufen, in Anwesenheit des Herzogs und des Kaisers. Dennoch hatte Sabina ihre erste Enttäuschung schnell überwunden, nachdem ihr Doctor Eck glaubhaft versichert hatte, dass es bei einem Landtag mit dem Kaiser ganz sicher zur Absetzung des Herzogs kommen würde. Dann würde man Sabina mit ihrem Sohn und den zugeordneten Räten zur Regierung und Verwaltung des Landes einsetzen. Das sei so sicher wie das Amen in der Kirche, denn das mächtige Baiern stünde hinter ihr und auch das Lob der Wirtemberger habe sie.
Ein Anfang war also gemacht!
Sie war gerade auf dem Weg ins Wildgehege, um ihre Kinder von dort abzuholen, als sie wie vom Blitz getroffen stehen blieb: Im Schlosshof erwartete sie Ulrich mit einer Meute Hunde im Schlepptau.
«Du feige Verräterin!»
Er war mit wenigen Schritten bei ihr und drängte sie gegen das Portal des alten Wasserschlosses.
«Glaubst wohl, du könntest ungestraft über mich herziehen, während ich außer Landes bin? Aber ich hab meine Ohren überall.»
Mit einem Pfiff rief er die Tiere heran, allesamt kräftige Jagdhunde und Bärenbeißer, die sich hechelnd, mit offenen Lefzen um ihren Herrn scharten. Sabina stand wie gelähmt da.
«Ein Wort von mir, und sie reißen dir Löcher ins Fleisch.»
Als hätten sie verstanden, begannen die Köter zu knurren und die Zähne zu fletschen. Sabina zweifelte keinen Moment, daran, dass Ulrich es ernst meinte. Allein dieser glühende Blick aus seinen Augen!
Hufgetrappel ließ sie beide auffahren: Quer über den Hof kam der Braunschweiger angeprescht. Er brachte sein Pferdso hart zum Stehen, dass es stieg. Kläffend wichen die Hunde zurück.
Ulrich stieß einen Fluch aus und zog das Schwert. Heinrich spuckte verächtlich zu Boden.
«Was soll das, Schwager? Wenn du keinen Krieg mit meinem Herzogtum willst, steck sofort das Schwert weg.»
Hasserfüllt starrte Ulrich seinen
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