Das Mädchen und die Herzogin
die Fäuste.
«Eine Sauerei ist das!»
«Aber das ist nicht alles. Jetzt auf einmal ist uns sogar dasniedere Jagdrecht genommen, nicht mal mehr Marder und Füchse dürfen wir jagen, wenn sie unsere Hühner stehlen. Die Schweinemast in unsern eigenen Wäldern ist uns verboten, ebenso das Roden, wenn wir Ackerland brauchen. Nicht einmal mehr über unsere Waldweiden dürfen wir nach freiem Willen verfügen. Das alles weiß ein jeder von euch – aber wisst ihr auch, dass der Forstmeister auf unserem Grund eine Zehntscheuer bauen darf oder einen Fischweiher anlegen oder eine Schafskoppel, wann immer er will? Dass euch hingegen eine hohe Geldstrafe droht, wenn nur einer seiner Jagdhunde abhaut oder krepiert?»
Unruhe kam auf, auch unter den Frauen.
«Was soll denn das», rief der Forstknecht und umklammerte seinen Wanderstock, den er immer bei sich führte, mit beiden Händen, als wolle er gleich losschlagen. «Diese Gesetze gelten doch nicht erst seit heute. Ihr habt sie bloß nie beachtet, und genau darum hat uns unser Herzog überall im Lande eingesetzt: Damit das bestehende Recht eingehalten wird, nicht mehr und nicht weniger. Außerdem – diese Gesetze dienen dem Schutz der Wälder und damit auch den Dörfern und euch!»
«Schwatzaffe! Halt endlich dein Maul!»
«Du redest wirklich Blödsinn, Forstknecht.» Der alte Müller stellte sich neben Gilgen. «Seit Urzeiten haben wir über unser Eigen an Wald und Weide selbst bestimmt, und jetzt kommt plötzlich der Forstmeister daher und schickt uns seine Knechte in die Dörfer, um uns zu gängeln.»
Gilgen nickte. «Ich schlage vor, wir verfassen eine Beschwerde, Punkt für Punkt. Und nicht dem Vogt, sondern dem Herzog wollen wir sie vorbringen. Gleich morgen früh!»
«Jawohl!» – «Auf zum Herzog!» – «Kämpfen wir für unsere alten Rechte.»
«Schluss jetzt! Keiner geht irgendwohin.»
Mit hochrotem Kopf pflanzte sich der Schultes vor Gilgen auf, der inzwischen fast alle Dorfbewohner auf seiner Seite hatte, Frauen wie Männer. Marie spürte die Spannung, die wie vor einem Sommergewitter in der Luft lag und sich sicher jeden Moment in einem höllischen Krachen entladen würde. Das Schicksal ihrer Base hatte sie angesichts dieses Spektakels fast vergessen.
«Was sind das für aufrührerische Reden?», fauchte der Schultes. «Du frevelst gegen deinen Herrn.»
«O nein.» Gilgen schüttelte den Kopf. «Jeder von uns hier würde ohne Zögern unseren Herzog mit Leib und Leben verteidigen – aber was wir nicht brauchen können, ist eine eigenmächtige Obrigkeit, die uns vor die Nase gesetzt wird, schon gar nicht deren Handlanger, die es sich auf unsre Kosten gutgehen lassen.»
Die Blicke in Richtung Forstknecht wurden feindseliger. Einige Burschen rückten ihm bedrohlich nah auf den Pelz.
«Recht hat er! Wir brauchen hier keinen Forstknecht.»
«Ihr wollt euch an herrschaftlichem Besitz vergreifen», kreischte der Knecht. «Wollt rücksichtslos wider die Natur räubern. Würde man euch lassen, gäb’s hier ringsum bald kein Jungholz mehr.»
«Ach – ihr aber, als Handlanger und Speichellecker der Forstmeister, dürft euch bedienen und es euch gutgehen lassen? Wie viel von den Abgaben wandert denn in dein eignes Säckel? So ganz still und heimlich? Leute wie du sind doch unnötig wie ein Kropf. Also, wer ist bereit, mit zum Herzog zu gehen?»
«Wartet nur, ich werd eure Reden meinem Forstmeister melden.»
«Gar nichts wirst du.»
Gilgen stieß den um einiges Kleineren heftig vor die Brust. Da trat der Schultes zwischen sie.
«Zügle dich, Gilgen. Sonst hol ich deinen Vater eigenhändig vom Krankenbett hierher. Und du, Forstknecht, gehst jetzt besser nach Hause.»
Gilgens Augen glühten vor Zorn, während der Forstknecht kehrtmachte und die Beine in die Hand nahm wie ein kleiner Bub.
«Und ihr andern», der Schultes klang jetzt nicht weniger wütend als sein Widersacher, «benutzt endlich mal euer bisschen Hirn. Habt ihr vergessen, wie es das letzte Mal ausging, als während der großen Hirschfeiste dieser Berlichingen mit seinen Gesellen hier eingefallen war? Da sind Wonnhardt und ich samt deinem Vater, Gilgen, ins Böblinger Schloss geritten – und was hatte es gebracht? Herzog Ulrich und Götz von Berlichingen haben sich nicht verleugnen lassen wie heute der Vogt, viel schlimmer – irgendwelche Büttel haben uns über Nacht in Ketten gelegt, und nur gegen eine Geldbuße kamen wir frei. Habt ihr das wirklich vergessen?»
Die Männer murrten und
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