Das Mädchen und die Herzogin
annährend gleichen Alters, Hans indessen wirkte wesentlich jünger und auch argloser als Herzog Ulrich.
Als Ulrich Mitte Mai zurückkehrte, hatte sie ihm längst verziehen. Tatsächlich nahm er hin und wieder sogar an ihren gemeinsamen Ausritten teil oder erwartete sie morgens vor dem Portal der Burgkapelle, um mit ihr den Gottesdienst zu besuchen. Ganz offensichtlich mühte er sich, für gut Wetter zu sorgen. Erkannte er nun endlich, was sie beide, bei allen Unterschieden im Wesen, letztlich doch miteinander verband? Sabina jedenfalls bewunderte längst, mit welch leichter Hand er selbst die störrischsten Pferde lenkte, mit welch abgöttischer Liebe seine Jagdhunde an ihm hingen. Und jedes Mal, wenn er ihre anerkennenden Blicke spürte, strahlte er wie ein glücklicher Junge.
Eines Tages aber entglitt ihrem Begleiter und GefährtenHans von Hutten eine Bemerkung, die sie stutzen ließ. Bei einem Ritt durch die Neckarauen, dieses Mal ohne Ulrich, hatte sie mit ihm über das kleine Festbankett vom Vortage geplaudert, das man zu Ehren eines kaiserlichen Gesandten gegeben hatte. Ulrich hatte sich mal wieder gehörig danebenbenommen, wie Sabina fand. Nicht nur, dass er viel zu spät gekommen war. Nein, er hatte sich zudem an die Nachbartafel gesetzt, zum Gefolge und Gesinde ihres Gastes, und dort gezecht und gesungen.
«Das war», sagte Sabina, als sie ihre Pferde am Uferweg grasen ließen, «ein Affront gegen den Gesandten und damit gegen unseren Kaiser, dem er doch so viel verdankt. Davon, dass er auch mir vor aller Welt eine Schelle angehängt hat, gar nicht zu reden. Mich einfach allein mit dem hohen Gast bei Tisch sitzen lassen!»
Sie verstummte. Ihren Unmut so vor dem Stallmeister herauszulassen, war eine Dummheit! Wenn sie eines in jungen Jahren als Fräulein von Baiern gelernt hatte, dann, dass es sich nicht ziemte für eine Fürstin, außerhalb des engsten Familienkreises die eigene Meinung hinauszuposaunen.
Doch Hans von Hutten lachte gutmütig.
«Ihr mögt schon recht haben, Euer Gnaden. Doch mein Herr hat das sicher nicht bös gemeint. Und ein wenig trage ich eine Mitschuld. Wir hatten zuvor schon ein wenig Wein gekostet und gescherzt und gelacht, und hätte das Fräulein Ursula ihn nicht regelrecht vor die Tür gesetzt, wäre es noch später geworden.»
«Vor die Tür? Ursula? Welche Ursula.»
Hans von Hutten errötete. «Nun, Fräulein Ursula Thumbin. Ihr wisst doch, dass der Herzog hin und wieder zu den Geselligkeiten im Marschallenhaus geladen wird. Oder – wusstet Ihr das etwa nicht?»
Das war empörend! Da ging ihr Gemahl also weiterhin im Hause der schönen Ursula aus und ein, trank, lachte und hatte seinen Spaß, gerade als sei er immer noch ein Junggeselle.
«Und wer, bitte schön», sagte sie schneidend, «ruft zu diesen Geselligkeiten, wenn ich als Herzogin nicht geladen bin? Unser Erbmarschall doch sicher nicht?»
«Nein, selbstredend nicht, obgleich auch er –» Der junge Stallmeister begann zu stottern. «Auch Freiherr Thumb von Neuburg ist mitunter anwesend. Es ist – es ist nichts Unschickliches zwischen Eurem Gemahl und dem Fräulein, das schwöre ich Euer Fürstlich Gnaden bei Gott. Sie treffen sich niemals ohne Ursulas Geschwister oder meine Wenigkeit.»
«Und das wisst Ihr so genau? Als ob der Herzog von Wirtemberg Euch Rechenschaft schuldig wäre.»
Hans schüttelte heftig den Kopf. «Nein, nein! Es ist nicht, wie Ihr denkt. Ihr müsst wissen: Das Thumb’sche Haus ist so etwas wie des Herzogs Familie. Der Freiherr war einstmals Vormund des jungen Herzogs. Seit Kindheitstagen geht Ulrich bei ihm ein und aus, schon damals waren wir Spielgefährten und engste Freunde: die Ursula, ihr Bruder Hans Conrad, der Herzog und ich. Später kam noch Dietrich Speth hinzu» – Sabina zuckte unwillkürlich zusammen –, «doch der lässt sich kaum noch blicken. Bitte glaubt mir, Euer Gnaden, wenn das Fräulein Ursula jemanden ins Herz geschlossen hat» – jetzt verfärbte sich sein Gesicht vollends tiefrot –, «dann am ehesten mich. Über Euern Gemahl und meinen Freund macht sie sich, verzeiht meine Offenheit, eher ein wenig lustig. Der Herzog ist aber auch manchmal gar zu ungeschickt in Gesellschaft.»
Er sah zu Boden.
«Ist schon recht.» Sabina nahm ihre Zügel auf und schwang sich mit Huttens Hilfe in den Sattel. Mehr zu sich selbst fügtesie hinzu: «Eine Frau kann ihrem Mann schließlich keine Vorschriften machen. Schon gar nicht einem Fürsten.»
Was Sabina
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