Das Mädchen und die Herzogin
erfahren hatte, ließ ihr keine Ruhe. Bald fand sie heraus, dass Ulrich sich weit häufiger im Thumb’schen Haus aufhielt als im eigenen Burgschloss. Auch wusste sie nun: Ulrich selbst hatte seinem Erbmarschall dieses prunkvolle Anwesen, vor dem nördlichen Tunzhofer Tor gelegen, als Ehrengabe vermacht. Dass es ihn nicht wegen des einstigen Vormunds nahezu täglich dorthin zog oder wegen seiner Kumpane aus Kinderzeiten, daran hegte sie keinen Zweifel – sie musste nur an ihr Hochzeitsbankett denken.
Fortan fiel es ihr äußerst schwer, ihr Misstrauen und ihren Ärger zurückzuhalten, wenn er ihr morgens den Arm bot und sie durchs Kirchenportal führte oder sie nach einem Ausritt, mit Hans und den übrigen Begleitern, zu einem kleinen Umtrunk lud. Schließlich stellte sie ihn zur Rede, als sie endlich einmal allein waren: Nachdem er ihr nämlich beigewohnt hatte, ein wenig lieblos fast, und eben dabei war, aus dem Prunkbett ihrer gemeinsamen Schlafkammer zu flüchten. Sie hielt ihn am Hemdzipfel fest.
«Warte, Ulrich.» Unwillkürlich war sie in das vertraute Du der Liebenden gefallen. «Was treibt dich noch immer ins Marschallenhaus? Die jungen Jahre sind doch vorbei. Ist dein Platz nicht hier, im Schloss? Wo wir, wenn Gott will, vielleicht auch bald einen Thronfolger haben werden?»
Sie hatte allen Mut zusammengenommen, um ihm dies zu sagen, auch auf die Gefahr hin, Widerspruch zu ernten. Doch was nun folgte, hatte sie nicht erwartet.
Ulrichs graugrüne Augen verengten sich, die Lippen wurden zu einem Strich, sein Adamsapfel hob und senkte sich.
«Was erdreistest du dich?»
Er schlug ihr hart auf die Hand, die immer noch sein Hemd hielt.
«Du willst mich gängeln?», flüsterte er tonlos. «Willst mir, dem Herzog von Wirtemberg, vorschreiben, was ich zu tun und was ich zu lassen habe?»
Er trat gegen das zierlich gedrechselte Bein des Waschtisches, das augenblicklich splitterte und brach. Waschschüssel und Kanne krachten zu Boden, zerschellten zu unzähligen Scherben, die wie blendend weiße Eisschollen in der sich rasch ausbreitenden Wasserlache lagen.
Beinahe erstaunt betrachtete der Herzog, was er angerichtet hatte, dann stapfte er barfuß mitten hindurch. An der Tür wandte er sich noch einmal um. Seine Stimme klang überraschend ruhig.
«Ich betrete das Marschallenhaus, so oft mir der Sinn danach steht. Das merkt Euch ein für alle Mal, Euer Liebden.»
Am nächsten Morgen brachte die Kammerjungfer mit dem Morgenessen eine Nachricht an Sabinas Bett. Müde erbrach sie das Siegel und schloss für einen Moment die Augen. Die halbe Nacht hatte sie wachgelegen, hatte gegrübelt, warum ihr Gemahl so unberechenbar war, warum er sie immer wieder, gerade nach Phasen der Zuwendung, so vehement ablehnte, ja verletzte. Was konnte sie nur tun, damit es besser würde zwischen ihnen? Wenn doch ihre Mutter hier wäre! Oder wenigstens ihr Bruder Ludwig, mit dem sie immer über alles hatte reden können.
Sie entrollte das Schreiben und las:
Meine durchleuchtig hochgeborene Fürstin und Herrin!
Allein aus großer Besorgnis und Neigung zu Euer Fürstlich Gnaden erlaube ich mir, Euer Liebden inständig zu bitten: Mögen Euer Gnaden stets klug und still sich geben vor
dem Fürsten, unserem Herzog Ulrich, auch wenn sich Euer Gnaden im Rechte fühlen. Denn Euer Liebden kennen den Gemahl noch wenig. So tapfer, hochherzig und ohnverzagt er sich auch geben kann – wer sein Misstrauen erregt, der erntet schnell grenzenlosen Zorn. Und ist des Herzogs Blut erst mal in Wallung, so ist er zu durchaus allem fähig, selbst dazu, einen Menschen zu vernichten, der ihm im Wege steht. Deshalb, Euer Fürstlich Gnaden: Wenn Euch Euer Friede im Eheleben lieb ist, dann halten Euer Gnaden sich mit Widerworten zurück, zeigen sich duldsam und verhalten. Lieber ein Wort mehr heruntergeschluckt als einen unstillbaren Brand entfacht.
Von einem Freund, der unerkannt bleiben möchte.
Der Müller knallte Utz einen neuen Stapel Spälten vor die Füße. Der ließ das Beil sinken, mit dem er die Latten zuspitzte.
«Das verschaff ich nicht», knurrte er. «Es wird bald dunkel.»
«Dann verschaffst du es morgen.»
«Was soll das?» Marx, einer von Gilgen Schladerers Brüdern, rammte mit einem letzten Schlag den Pfahl in den Boden. «Ich dachte, morgen könnten wir wieder auf unsere Felder.»
Seit Tagen waren die Dörfler bei der Gemeindearbeit, erst beim Ausbessern der Dorfweide, jetzt auf der Waldweide. Alle fluchten, denn auf den
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