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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Durchdringend sah er seine Frau an, dann schüttelte er den Kopf. «Die hohe Herrin Schulter an Schulter mit den Marktweibern! Lächerlich! Dazu ohne Dienerschaft und männliche Begleitung.»
    Swinhardus reckte entrüstet sein Narrenzepter: «Das will ich überhört haben.»
    «Haltet Euer Zwergenmaul, Trummelschlager. Ihr wisst ebenso wie ich, dass es unschicklich ist, wenn sich eine Fürstin ohne Hofdamen und Leibwache in der Gegend herumtreibt. Wenn mir das nächste Mal so was zu Ohren kommt, dann – ach, was soll’s.» Ulrich wandte sich um und wollte eben die Freitreppe hinauf, da rief Sabina: «Wartet bitte.»
    «Was gibt’s denn noch?» Er blieb auf halber Höhe stehen.
    «Wir haben eben den Doctor Reuchlin getroffen. Er war so freundlich, uns zu einer Theatervorstellung einzuladen.» Sie reichte ihm die Einladung. «Am Sonntag, bei Hofrat Lorenz von Westerstetten.»
    Ulrich lachte laut auf: «Bei Westerstetten? Bei diesem Langweiler? Da geh ich doch lieber mit meinem Hänschen auf die Sauhatz!»
    Er entrollte das Papier, dann zog er die hohe Stirn in Falten.
    «Eine Komödie auf Latein? Was versteht Ihr denn von Latein?»
    «Ich verstehe sehr wohl   –»
    Seine Stimme wurde schneidend: «Spielst du jetzt das Gelehrtenweib? Als Nächstes willst du dich wohl an der Hohen Schule zu Tübingen immatrikulieren, was? Und überhaupt   –» Er riss die Einladung in Fetzen. «Wieso lädt Reuchlin dich ein und nicht mich?»
    «Ihr seid doch auch eingeladen», versuchte Sabina zu erklären. «Doctor Reuchlin hat   –»
    «Was will der Tattergreis von dir?», unterbrach er sie. «Dieser alte Sack. Kannst du mir das verraten?»
    «Wie gehässig Ihr sein könnt», stieß Sabina hervor. Sie raffte ihren Rocksaum und rannte die Treppe hinauf so schnell sie konnte.
    «Ich verbiete dir, zu Westerstetten zu gehen», hörte sie ihn noch brüllen, bevor hinter ihr der Torflügel schwer ins Schloss fiel. Vor Wut biss sie sich in die geballten Fäuste. Was für ein Ekel dieser Mann manchmal sein konnte!
     
    Als habe es die garstige Szene im Burghof niemals gegeben, durchschritt Ulrich am folgenden Sonntag das Spalier von Gästen und Bediensteten, um mit Sabina am Arm und seinen Kammerjunkern auf den Fersen den Festsaal im Hause Westerstetten zu betreten. Spätestens jetzt hatte Sabina gelernt, dass Ulrichs Launen niemals zu trauen war – schneller als die Wetterfahne im Wind kreiste, konnte sich seine Stimmung ins Gegenteil verkehren.
    Mit Sicherheit hätte sie das Spektakel an jenem Vormittag keinen Atemzug lang genießen können, wäre unter den Zuschauern nicht ein Gast gewesen, der ihr Herz vor Freude augenblicklich hatte höher schlagen lassen: Dietrich Speth, Ritter von Zwiefalten.
    Das Wiedersehen mit dem Ritter erschien Sabina in diesemAugenblick wie ein Lichtstreif im nächtlichen Wald. Am Vorabend war er aus Zwiefalten eingetroffen, nachdem ihn Ulrich wohl schon seit vielen Wochen angemahnt hatte. Doch erst jetzt hatte sich seine Frau von der schweren Niederkunft erholt.
    So schwer es Sabina fiel: Sie verbot sich jede allzu deutliche Äußerung der Freude, um nicht womöglich erneut einen Funken ins Pulverfass zu geben. Dafür sprang Ulrich wie ein aufgescheuchtes Huhn herum – geradezu kindisch, wie Sabina fand   –, als er Dietrich Speth an einem der vordersten Tische entdeckte. Wieder und wieder nahm er den Freund in den Arm, trank ihm aus vollem Becher zu, ließ den anwesenden Lautenisten ein Willkommenslied spielen, trank erneut und trieb es so lange, bis die übrigen Zuschauer zu scharren und zu husten begannen.
    «Gut, gut – ein letztes Prosit auf meinen treuen Freund Dietrich. Willkommen zu Hause! Was ist nun, Doctor Reuchlin?» Er winkte seinen Hofrat heran, der eine ausnehmend schöne Frau am Arm führte. «Wollen Eure Studiosi nicht endlich beginnen?»
    «Gewiss, die jungen Herren sind gleich so weit. Wenn ich Euch, gnädige Fürstin, derweilen meine Gemahlin vorstellen dürfte? Anne Reuchlin, geborene Vauttin.»
    Die Frau, wesentlich jünger als Reuchlin, schlug die Augen nieder und knickste, dann breitete sich ein bezauberndes Lächeln auf ihrem schmalen blassen Gesicht aus. Sabina hatte davon gehört, wie abgöttisch Reuchlin seine Frau liebte, und nun, wo sie diese Schönheit selbst vor Augen hatte, wunderte sie das nicht.
    Das dreimalige Klopfen des Hausdieners mit seinem Stab unterbrach die Gespräche: Die Vorstellung konnte beginnen. Viel Gelächter und schier endlosen Beifall erntete

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