Das Maedchen von Atlantis
sondern in einer kalten, aus blitzendem Metall und hartem Stein,
aus hellem Licht und tausend fremdartigen, angstmachenden Dingen bestehenden Umgebung.
Und dann - wieder hatten sie etwas mit ihm getan,
was er nicht verstand, aber das ihm Schmerzen und
noch viel größere Angst bereitete änderte sich etwas. Nicht in seiner Umgebung. Nicht mit seinem
Körper; mit seinem Geist. Aus dem Tier wurde ein
denkendes Wesen. Mike war noch immer im Körper des
vierbeinigen Jägers gefangen, aber plötzlich waren all
die vertrauten Muster wieder da, plötzlich war da
mehr als Instinkte und angeborene Verhaltensweisen,
mehr als ein Denken, das gerade ausreichte, eine Beute
zu erkennen und zu jagen. Es war, als wäre das Wesen, dessen Gast er im Traum war, auf eine höhere
Ebene des Seins gehoben worden.
Wieder erschien der alte Mann vor ihm. Er begann
mit ihm zu reden, und nun zum ersten Mal waren die
Geräusche, die er machte, keine unverständlichen,
furchteinflößenden Laute mehr, sondern Worte, und
er verstand sie, wenn auch nur ihrer Bedeutung nach,
nicht ihrem Sinn.
»Mir bleibt nicht genug Zeit, dich in alles einzuweisen«, erklärte der alte Mann. »Unsere Welt ist dem
Untergang geweiht, doch einer von uns wird überleben. Deine Aufgabe wird es von nun an sein, über die
letzte Prinzessin des Alten Geschlechts zu wachen.
Dein Schrecken wird bald vergehen, und du wirst erkennen, mit welcher Macht wir dich ausgestattet haben, damit du deiner Aufgabe gerecht werden kannst.
Du wirst jetzt nicht alles verstehen, aber du wirst
dich erinnern und nach und nach alles begreifen.«
Zumindest damit hatte der alte Mann recht. Er redete lange und schnell, und kaum etwas von seinen
Worten war verständlich oder schien gar einen Sinn
zu ergeben. Und doch vergaß er nichts davon.
An diesem Punkt wachte Mike für einen Moment auf.
Er fand sich fiebernd und geschüttelt von einander
abwechselnder Kälte und Hitze unter seiner Bettdecke
in der dunklen Kabine, und Astaroth hatte sich so eng
an ihn gekuschelt, wie es nur ging, so daß es ihm für
einen Moment fast so vorkam, als wären sie zu einem
einzigen Wesen verschmolzen. Und noch bevor er diesen Gedanken weiter verfolgen und vielleicht erkennen konnte, welch tiefere Wahrheit in diesem Vergleich steckte, sank er erneut in Schlaf, und
sein
Traum, er setzte sich fort.
Er war nicht mehr in der Gewalt des alten Mannes.
Der Alte, von dem er nun wußte, daß er der letzte eines einst mächtigen Geschlechts von Magiern gewesen war, war gegangen, und er war allein mit anderen
Menschen, jedoch nicht mehr gefangen. Trotzdem
versuchte er nicht zu fliehen und in seine angestammte Heimat zurückzukehren. Um ihn herum waren Bilder unvorstellbarer Zerstörung. Der Himmel hatte
sich verdunkelt, Feuer und Schwefel regneten auf die
Erde, und vom Meere her rannten turmhohe Wellenberge gegen die Küste. Ein unglaublicher Sturm war
losgebrochen, gegen den er sich nur noch mit Mühe
halten konnte, und er hörte ein beständiges Grollen,
Rumpeln und Bersten, als bräche die Erde unter seinen Füßen zusammen.
An diesem Punkt zerbrach die bis dahin durchgehende Handlung in tausend einzelne Bilder der Zerstörung, des Chaos, die den Untergang einer ganzen
Welt und das Ende eines ganzen Volkes zeigten. Und
irgendwann, nach Ewigkeiten, wie es Mike schien,
sank sein gepeinigter Geist erschöpft auf eine tiefere
Ebene des Schlafes herab, die keinen Platz mehr für
Träume bot.
Wieder wurde Mike unsanft aus dem Schlaf gerissen.
Singh mußte ihn diesmal sogar an der Schulter rüt
teln, um ihn aufzuwecken, und wieder fiel es Mike
schwer, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Obwohl
viel bizarrer und am Schluß geradezu chaotisch, war
der Traum viel realer gewesen als das letzte Mal; und
was er in ihm hinterließ, das war nicht das Gefühl, einen Traum gehabt zu haben, sondern vielmehr, sich
an etwas tatsächlich Erlebtes zu erinnern.
»Ihr müßt aufwachen, Herr«, sagte Singh erneut.
Mit einem ärgerlichen Brummen versuchte Mike die
Hand von seiner Schulter abzuschütteln, doch der
Sikh
ließ
nicht locker, und schließlich richtete sich
Mike schlaftrunken auf. »Und wenn nicht, was dann?«
maulte er. »Willst du dann wieder auf mich einschlagen?«
Singh lächelte flüchtig und rüttelte weiter an Mikes
Schulter. Etwas bewegte sich unter der Decke. Singh
runzelte überrascht die Stirn, als ein schwarzer, pelziger Kopf unter der Bettdecke auftauchte und zuerst
ihn, dann Mike vorwurfsvoll aus seinem einzigen Auge
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