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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Hickman
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darauf, sie niederzumetzeln.
    Da wurde mir klar, was geschehen war: Eine Art Fieberwahn hatte sie befallen. Aber als ich aufsah, war es zu spät. Sie war fort. Und ich musste sie um jeden Preis aufhalten.«

Kapitel 29
    »Ich rannte hinter ihr her. Ich rannte so schnell, dass ich immer wieder über meinen Kleidersaum stolperte und beinahe auf die Steinplatten gestürzt wäre. Meine Haare lösten sich und fielen mir ins Gesicht, bis ich sie im Mund und vor den Augen hatte und fast blind weiterstürmte. Ich folgte rein instinktiv dem Weg, den sie meiner Ansicht nach genommen haben musste, bis zu dem Pfad, der zum Vogelhaustor am anderen Ende des Haremsgartens führte.
    Ich nahm an, dass Celia nicht den Weg durch den Hauptteil des Harems gewählt hatte, vorbei an den Wohnräumen der Valide, wo man sie hätte entdecken und aufhalten können, sondern einen anderen, längeren, über den Hof und dann entlang des Goldenen Weges – das ist der breite, geflieste Gang, auf dem die Eunuchen die vom Sultan auserwählten Frauen zu seinem Schlafgemach führen.
    Und ich hatte richtig vermutet. Ich erreichte den Gang gerade noch rechtzeitig. Vor mir tauchte ihre Gestalt in den Schatten ein. Wenn ich mich beeilte, konnte ich sie vielleicht im letzten Moment aufhalten, bevor sie den Ausgang erreichte – bevor es zu spät war.
    Und dann geschah das Unglück. Mein Fuß blieb an einer Unebenheit im Stein hängen. Ich fiel hart zu Boden und schrammte mir die Knie auf. Wie konnte ich nur so ungeschickt sein? Ich weinte, nicht nur vor Schmerz, sondern auch vor Angst und Verzweiflung. Ich hatte keine Chance mehr, Celia noch einzuholen.
    Aber dann hörte ich auf einmal Stimmen und Schritte, und noch bevor ich wieder auf den Beinen war, tauchten auch schon zwei Eunuchen hinter mir auf. Sie hielten brennende Fackeln in den Händen. Madonna! Sie stutzten, als sie mich bemerkten, und ich beschloss, die Gelegenheit zu nutzen. ›Haltet sie‹, rief ich ihnen zu, ›haltet sie, haltet sie, die kadin läuft weg!‹ Und ich zeigte mit dem Finger den Gang hinunter, den Celia entlanggelaufen war.
    Sie schienen mich kaum wahrzunehmen, sie liefen an mir vorbei, als ob ich ein unsichtbarer Palastdschinn wäre, obwohl ich doch lang ausgestreckt auf dem Boden lag.
    Ich kam mühsam auf die Beine und humpelte, so schnell ich konnte, hinter ihnen her. Ich fand den Weg in die Haremsgärten, wo sich mir ein außergewöhnliches Bild bot. In jener Nacht schien zwar der Mond, aber er war gerade hinter Wolken verschwunden, sodass es in den Gärten sehr dunkel war. Zunächst war von Celia überhaupt nichts zu sehen. Ich schaute mich nach allen Seiten um. Und dann – der Herr sei gepriesen! – entdeckte ich sie, gerade als sie durch den Rosengarten lief. Es war noch nicht alles verloren. Sie wirkte so klein, wie ein heller Nachtfalter, nur ihre blonden Haare und ihre weißen Ärmel leuchteten in der Dunkelheit. Wenn es den Eunuchen und mir gelang, sie vor dem Tor abzufangen, hatte sie noch kein Verbrechen begangen.
    ›Da ist sie, da hinten!‹ Ich zeigte mit dem Finger auf sie und rief: ›Haltet sie auf!‹ Aber die beiden Eunuchen hatten sie bereits entdeckt. Und während ich sie beobachtete, sah ich zu meinem Erstaunen, dass auf der anderen Seite des Gartens zwei weitere Eunuchen auftauchten. Und dann noch zwei. Es waren insgesamt sechs, und alle hielten brennende Fackeln in der Hand. Die Valide ließ ihre Falle zuschnappen, ohne darauf zu warten, dass Celia tatsächlich das Vogelhaustor durchschritt.
    Diese Eunuchen waren große, massige Gestalten, wie Männer eben aussehen, wenn sie keine testicolos mehr haben« – Annetta schauderte leicht –, »und sie holten Celia rasch ein. Dann tauchte der Mond hinter der Wolke auf und ich erkannte deutlich, was ich vorher nicht hatte sehen können. Einer von den Eunuchen hielt in seiner freien Hand ein gezücktes Schwert. Ach, Eufemia! Was hatte ich nur getan!« Annetta griff nach dem Arm der jungen Nonne und drückte ihn so fest, dass die kleine conversa beinahe aufgeschrien hätte. »Gott, vergib mir! In diesem Moment wurde mir klar, dass eine Rettung nicht mehr möglich war. Der Eunuch wollte Celia töten, noch bevor sie überhaupt den Ausgang erreicht hatte.
    ›Wartet!‹, schrie ich laut und versuchte, mit meinen schmerzenden Knien zu ihr zu rennen. Ich war wie von Sinnen. ›Rührt sie nicht an, tut ihr nicht weh, sie hat nichts getan …‹
    Und dann – es war, als würde ein Wunder geschehen …«

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