Das Mädchen.
hinunter, und Trisha fragte sich unwillkürlich, wie viele Biere er heute schon getrunken hatte. »Gee-nau, Schatz, unterschwellig wahrnehmbar. Ich glaube an keinen wirklich denkenden Gott, der den Absturz jedes Vogels in Australien und jedes Käfers in Indien registriert, einen Gott, der alle unsere Sünden in seinem großen goldenen Buch festhält und über uns zu Gericht sitzt, wenn wir gestorben sind - ich mag nicht an einen Gott glauben, der es fertigbringt, vorsätzlich böse Menschen zu erschaffen, um sie dann bewußt in einer von ihm geschaffenen Hölle braten zu lassen -, aber ich glaube, daß es irgend etwas geben muß.«
Er sah sich im Garten mit seinem zu hohen, zu unregelmäßig wachsenden Gras um, mit der kleinen Kombination aus Schaukel und Rutsche, die er für seine Kinder aufgestellt hatte (Pete war aus diesem Alter heraus, und Trisha war es eigentlich auch, obwohl sie bei ihren Besuchen immer kurz schaukelte oder ein paarmal rutschte, nur um ihm damit eine Freude zu machen), mit den beiden Gartenzwergen (von denen einer in dem üppig wuchernden Frühjahrsunkraut fast verschwand), mit dem Zaun an der rückwärtigen Grundstücksgrenze, der dringend gestrichen werden mußte. In diesem Augenblick erschien er ihr alt. Ein bißchen durcheinander. Ein bißchen ängstlich. (Ein bißchen wie im Wald verirrt, dachte sie jetzt, während sie mit dem Rucksack zwischen ihren Turnschuhen auf dem umgestürzten Baumstamm saß.) Dann nickte er und wandte sich ihr wieder zu. »Yeah, irgend etwas. Eine anonyme Macht, die Gutes bewirkt. Anonym. Weißt du, was das heißt?« Trisha nickte, obwohl sie es nicht genau wußte, aber sie wollte nicht, daß er eine Pause machte, um es ihr zu erklären. Er sollte sie nicht belehren, nicht heute; heute wollte sie ihm nur zuhören.
»Ich glaube, daß es eine Macht gibt, die betrunkene Teenager - die meisten betrunkenen Teenager - davor bewahrt, auf der Heimfahrt vom Abschlußball ihrer Schule oder ihrem ersten großen Rockkonzert mit ihren Autos tödlich zu verunglücken. Die die meisten Flugzeuge am Absturz hindert, selbst wenn etwas schiefgeht. Nicht alle, aber die meisten. He, die Tatsache, daß seit 1945 niemand mehr eine Atomwaffe gegen lebende Ziele eingesetzt hat, beweist doch, daß irgend etwas auf unserer Seite stehen muß. Irgendwann setzt natürlich jemand eine ein, aber über ein halbes Jahrhundert ... das ist eine lange Zeit.« Dad machte eine Pause und starrte zu den Gartenzwergen mit ihren leeren, fröhlichen Gesichtern hinüber. »Es gibt etwas, das verhindert, daß die meisten von uns im Schlaf sterben. Kein perfekter, liebender, allwissender Gott, ich glaube nicht, daß das Beweismaterial das hergibt, aber eine Macht.«
»Das unterschwellig Wahrnehmbare.«
»Du hast's erfaßt.«
Sie hatte es erfaßt, aber es gefiel ihr nicht. Es erschien ihr zu sehr so, als bekäme man einen Brief, den man für interessant und wichtig hielt, aber wenn man ihn aufmachte, war er an »Sehr geehrter Wohnungsinhaber« adressiert.
»Glaubst du an sonst noch was, Dad?«
»Oh, an das Übliche. Tod und Steuern und daß du das schönste Mädchen der Welt bist.«
»Da-ad.« Sie lachte und zappelte, als er sie umarmte und aufs Haar küßte; ihr gefielen seine Berührung und sein Kuß, aber nicht der Bierdunst in seinem Atem. Er gab sie frei und stand auf. »Außerdem glaube ich, daß es Bier Uhr ist. Willst du ein Glas Eistee?«
»Nein, danke«, sagte sie, und vielleicht war doch eine Art Vorahnung im Spiel gewesen, denn als er gehen wollte, fragte sie: »Glaubst du an sonst noch was? Ernsthaft.« Sein Lächeln wich einem ernsthaften Gesichtsausdruck. Er stand nachdenklich da (auf ihrem Baumstamm sitzend erinnerte Trisha sich jetzt daran, daß sie sich geschmeichelt gefühlt hatte, weil er ihretwegen so angestrengt nachdachte), ohne darauf zu achten, daß seine Eiscreme ihm jetzt über die Hand zu laufen begann. Dann sah er auf und lächelte wieder. »Ich glaube, daß dein Schwärm Tom Gordon dieses Jahr vierzig Spiele entscheiden kann«, sagte er. »Ich glaube, daß er im Moment der beste Closer, der beste letzte Werfer der Major Leagues ist, daß er - wenn er von Verletzungen verschont bleibt und die Sox nicht einbrechen - im kommenden Oktober bei den World Series dabeisein kann. Genügt dir das?«
»Jaaaaa!« rief sie lachend, aus der eigenen Ernsthaftigkeit herausgerissen - denn Tom Gordon war wirklich ihr Schwärm, und sie liebte ihren Vater dafür, daß er es wußte und nicht
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