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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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spöttisch, sondern sehr liebevoll darauf reagierte. Trisha sprang auf, lief zu ihm, schlang ihm ihre Arme um den Hals, bekam Eiscreme auf ihr T-Shirt und machte sich nichts daraus. Was war schon ein bißchen Sunny Treat unter Freunden?
    Und jetzt, während sie in dem zunehmenden Grau saß, auf das Tropfen von Wasser überall um sie herum im Wald horchte, beobachtete, wie die Bäume schemenhafte Formen annahmen, die bald bedrohlich wirken würden, auf Lautsprecherstimmen (»KOMM AUF MEINE STIMME ZU!«) oder fernes Hundegebell horchte, dachte sie: Ich kann nicht zum unterschwellig Wahrnehmbaren beten. Ich kann's einfach nicht. Sie konnte auch nicht zu Tom Gordon beten - das wäre lächerlich gewesen -, aber vielleicht konnte sie hören, wie er warf... und noch dazu gegen die Yankees. Die Leute bei WCAS hatten ihre Sox an; sie konnte ihre ebenfalls anhaben. Sie mußte sparsam mit ihren Batterien umgehen, das wußte sie, aber sie konnte eine Weile zuhören, nicht wahr? Und wer konnte sagen, was passieren würde? Vielleicht hörte sie die Lautsprecherstimmen und das Hundegebell, bevor das Spiel zu Ende war.
    Trisha öffnete ihren Rucksack, holte den Walkman andächtig aus seiner Tasche und setzte ihren Kopfhörer auf. Sie zögerte einen Augenblick, weil sie sich plötzlich sicher war, daß das Radio nicht mehr funktionieren würde, daß sich bei ihrer Rutschpartie den Steilhang hinunter irgendein lebenswichtiger Draht gelockert hatte, daß das Gerät diesmal stumm bleiben würde, wenn sie es einschaltete. Gewiß, das mochte eine dämliche Idee sein, aber an einem Tag, an dem so vieles schiefgegangen war, kam ihr diese Idee auch gräßlich wahrscheinlich vor.
    Los, los, sei kein Feigling!
    Sie drückte auf den Knopf, und wie durch ein Wunder füllte ihr Kopfsich mit dem Klang von Jerry Trupianos Stimme ... und, was noch wichtiger war, mit Hintergrundgeräuschen aus Fenway Park. Sie hockte bei einbrechender Dunkelheit hier draußen im regennassen Wald, hatte sich verlaufen und war allein, aber sie konnte dreißigtausend Menschen hören. Das war ein Wunder.
    »... kommt jetzt zum Wurfmal«, sagte Troop eben, »fr holt aus. Er wirft. Und ... Fehlschlag, Strike drei gegeben, Mar-tinez hat ihn glatt überrumpelt! Oh, das war der Slider, und er ist große Klasse gewesen! Genau in die innere Ecke, und Bernie Williams hat wie gelähmt dagestanden! Oje! Und nach zweieinhalb Innings steht's zwischen den Yankees und den Red Sox weiter zwei zu null.«
    Eine singende Stimme forderte Trisha auf, 1-800-54-GIANT zu wählen, wenn sie irgendeine Art Autoreparatur brauchte, aber sie hörte die Werbung gar nicht. Schon zweieinhalb Innings gespielt, das bedeutete, daß es gegen acht Uhr sein mußte. Zunächst erschien ihr das verblüffend, aber angesichts des nachlassenden Tageslichts doch wieder glaubhaft. Also war sie seit zehn Stunden auf sich allein gestellt. Das kam ihr wie eine Ewigkeit vor; zugleich schien die Zeit wie im Flug vergangen zu sein.
    Trisha wedelte die Insekten weg (diese Geste war jetzt so automatisch geworden, daß sie sie gar nicht mehr wahrnahm) und griff dann in ihre Lunchtüte. Das Thunfischsandwich war weniger schlimm zugerichtet, als sie befürchtet hatte; es war flachgedrückt und in mehrere Stücke zerfetzt, aber noch immer als Sandwich erkennbar. Die Tüte hatte es irgendwie zusammengehalten. Das restliche Twinkie hatte sich jedoch in etwas verwandelt, das Pepsi Robichaud vermutlich »totalen Pamps« genannt hätte. Trisha saß da, hörte sich das Spiel an und aß langsam eine Hälfte ihres Thunfischsandwichs. Das weckte ihren Appetit, und sie hätte leicht auch den Rest verschlingen können, aber sie legte ihn in die Lunchtüte zurück und aß statt dessen das zu Mus zerquetschte Twinkie, wobei sie den feuchten Teig und die widerlich-leckere weiße Cremefüllung (dieses Zeug hieß immer Creme und nie Sahne, überlegte Trisha sich) mit einem Finger auflöffelte. Als sie alles gegessen hatte, was sie mit ihrem Finger aufnehmen konnte, stülpte sie das Papier um und leckte es sauber. Nennt mich einfach Fräulein Schmutzfink, dachte sie und steckte das Twinkie-Papier wieder in ihre Lunchtüte. Sie genehmigte sich drei weitere große Schlucke Surge und fahndete dann mit der Spitze eines schmutzigen Zeigefingers nach weiteren Kartoffelchips, während die Red Sox und die Yankees die zweite Hälfte des dritten Innings absolvierten und das vierte begann.
    In der Mitte des fünften Innings stand es vier zu eins für die

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