Das Mädchen.
aber als sie aufstehen wollte, versagten ihre Beine ihr den Dienst. Aber das war kein Wunder, nicht wirklich. In den vergangenen achtundvierzig Stunden hatte sie außer einem hartgekochten Ei, einem Thunfischsandwich, zwei Twinkies und einigen Jungfarnen nichts zu sich genommen. Außerdem hatte sie Durchfall und die Kotzerei gehabt.
»Ich werde hier sterben, Tom, nicht wahr?« fragte sie. Ihre Stimme klang ruhig und vernünftig. Als keine Antwort kam, hob sie den Kopf und sah sich um. Nummer 36 war verschwunden. Trisha schleppte sich zum Bach hinüber und trank ausgiebig. Das Wasser schien Magen und Darm nicht mehr zu schaden. Sie wußte nicht, ob das bedeutete, daß sie sich daran gewöhnt hatte, oder nur, daß ihr Körper den Versuch aufgegeben hatte, sich von dem schlechten Zeug, von all dem Schmutz zu befreien. Trisha setzte sich auf, wischte sich ihren tropfenden Mund ab und sah den Wildbach entlang nach Nordwesten. In dieser Richtung war das Gelände mittelschwer, und der Wald schien sich wieder einmal zu verändern: Die Kiefern machten kleineren, jüngeren Bäumen Platz - das hieß, dem dichten Gewirr eines Jungwalds mit reichlich Unterholz, das jegliches einfache Fortkommen unmöglich machte. Sie wußte nicht, wie lange sie in diese Richtung würde weitergehen können. Und wenn sie im Bach zu gehen versuchte, würde die Strömung sie bestimmt umreißen. Es gab keine Hubschrauber, keine kläffenden Hunde. Sie ahnte, daß sie diese Geräusche hätte hören können, wenn sie wollte, genau wie sie Tom Gordon sehen konnte, wenn sie wollte, deshalb war es am besten, nicht an solche Dinge zu denken. Überraschten sie irgendwelche Geräusche, waren sie vielleicht echt.
Trisha rechnete nicht damit, von irgendwelchen Geräuschen überrascht zu werden.
»Ich werde im Wald sterben.« Diesmal war es keine Frage. Ihr Gesicht nahm einen kummervollen Ausdruck an, aber es kamen keine Tränen. Sie streckte ihre Hände aus und betrachtete sie. Sie zitterten. Schließlich rappelte sie sich hoch und setzte ihren Marsch fort. Während sie sich langsam bergab bewegte, wobei sie sich an Baumstämmen und Zweigen festhielt, um nicht zu stürzen, befragten zwei Ermittler der Staatsanwaltschaft ihre Mutter und ihren Bruder. Später an diesem Nachmittag würde ein mit der State Police zusammenarbeitender Psychiater versuchen, sie zu hypnotisieren, was ihm bei Pete gelingen würde. Ihre Fragen konzentrierten sich darauf, wie sie am Samstag morgen auf den Parkplatz gefahren und dann zu ihrer Wanderung aufgebrochen waren. Hatten sie einen blauen Van gesehen? Hatten sie einen blonden Mann mit Brille gesehen?
»Großer Gott«, sagte Quilla und gab endlich den Tränen nach, die sie bisher größtenteils zurückgehalten hatte.
»Großer Gott, Sie glauben, daß mein Baby entführt worden ist, nicht wahr? Hinter unserem Rücken verschleppt, während wir uns gestritten haben.« Als sie das sagte, begann auch Pete zu weinen.
In den Townships TR-90, TR-100 und TR-110 ging die Suche nach Trisha weiter, aber das Suchgebiet war verkleinert worden, und die Männer und Frauen in den Wäldern hatten Anweisung, sich auf die Umgebung der Stelle zu konzentrieren, wo die Vermißte zuletzt gesehen worden war. Die Suchtrupps hielten jetzt mehr Ausschau nach den Sachen des Mädchens als nach dem Mädchen selbst: nach ihrem Rucksack, ihrem Poncho, einzelnen Kleidungsstücken. Aber nicht nach ihrem Slip; die Ermittler der Staatsanwaltschaft und die Detectives der State Police waren sich ziemlich sicher, daß den niemand finden würde. Sexualverbrecher wie Mazzerole behielten die Unterwäsche ihrer Opfer meistens, sie hatten sie noch lange bei sich, wenn die Leichen längst in Straßengräben geworfen oder in Abwasserkanäle gestopft worden waren.
Trisha McFarland, die Francis Raymond Mazzerole noch nie im Leben zu Gesicht bekommen hatte, befand sich jetzt dreißig Meilen jenseits der Nordwestgrenze des neuen, verkleinerten Suchgebiets. Selbst wenn die Maine State Guides und die Wildhüter der Forest Services nicht auf eine falsche Spur gelockt worden wären, hätten sie das kaum glauben können, aber es stimmte. Sie befand sich nicht einmal mehr in Maine; gegen drei Uhr an diesem Montagnachmittag überschritt sie die Grenze nach New Hampshire. Etwa eine Stunde später sah Trisha die Büsche unter einer Baumgruppe in der Nähe des Bachs. Sie ging auf sie zu, wagte aber nicht, sie für echt zu halten, selbst als sie das helle Rot der Beeren sah - hatte sie
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