Das Mädchen.
Hirschkälber, die wachsamer wirkten, auf staksigen Beinen. Die Hirschkuh sah sich erneut nach Trisha um, dann gesellte sie sich mit ihren leichten, federnden Schritten zu ihren Kälbern. Während Trisha sie beobachtete - so erstaunt und entzückt wie beim Anblick der Biber -, hatte sie das Gefühl, die Hirschkuh bewege sich, als habe sie eine dünne Schicht dieser Flubber-Masse unter ihren Hufen.
Die drei Tiere standen nun fast wie für ein Familienporträt posierend auf der Lichtung im Buchenwald. Dann stieß die Mutter eines ihrer Kälber an (oder biß es vielleicht in die Seite), und die drei machten sich davon. Trisha sah ihre weißen Wedel hügelabwärts davonwippen, dann hatte sie die Lichtung für sich allein.
»Lebt wohl!« rief sie ihnen nach. »Danke, daß ihr ... » Sie verstummte, als ihr klar wurde, was die Hirsche gemacht hatten. Der Waldboden war hier mit Bucheckern übersät. Die kannte Trisha nicht von ihrer Mutter, sondern aus dem Biologieunterricht in der Schule. Vor einer Viertelstunde war sie noch fast verhungert; jetzt befand sie sich mitten in einem Festmahl ... in der vegetarischen Version, klar, aber wen störte das?
Trisha kniete nieder, hob eine Buchecker auf und drückte mit einem abgebrochenen Fingernagel gegen die Naht der braunen Hülse. Sie erwartete nicht allzu viel, aber die Buchecker ließ sich fast so leicht öffnen wie eine Erdnuß. Die Hülse von der Größe eines Fingerknöchels enthielt einen Kern, der etwas größer als ein Sonnenblumenkern war. Sie kostete ihn leicht zweifelnd, aber er schmeckte gut. In seiner Art so gut wie die Scheinbeeren, und ihr Körper schien jetzt auch nach Bucheckern zu gieren.
Ihren schlimmsten Hunger hatte sie mit Beeren gestillt; sie hatte keine Ahnung, wie viele sie schon verschlungen hatte (von den Blättern ganz zu schweigen; wahrscheinlich hatte sie so grüne Zähne wie Arthur Rhodes, der komische kleine Junge, der weiter hinten in Pepsis Straße wohnte). Außerdem war ihr Magen wahrscheinlich geschrumpft. Was sie jetzt tun mußte, war ...
»Vorräte sammeln«, murmelte sie. »Yeah, Baby, massenhaft Vorräte sammeln.«
Sie ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten, merkte dabei, wie dramatisch ihr Energiepegel schon wieder gestiegen war - das war mehr als erstaunlich, tatsächlich ein bißchen unheimlich -, und öffnete die Klappe. Dann kroch sie über die Lichtung und sammelte mit schmutzigen Händen Bucheckern ein. Ihr Haar hing ihr in die Augen, ihr verdrecktes Trikot flatterte, und sie zog zwischendurch immer wieder ihre Jeans hoch, die gut gepaßt hatten, als sie sie vor tausend Jahren angezogen hatte, aber jetzt nicht mehr oben bleiben wollten. Während sie Bucheckern einsammelte, sang sie halblaut den Autoglas-Jingle - 1-800-54-GIANT - vor sich hin. Sobald sie genügend Bucheckern hatte, so daß der Boden ihres Rucksacks mit einer dicken Schicht bedeckt war, ging sie langsam durch die Beerensträucher zurück, pflückte Scheinbeeren und warf sie (diejenigen, die sie nicht gleich in ihren Mund steckte) oben auf die Bucheckern.
Als sie die Stelle erreichte, an der sie zuvor gestanden und versucht hatte, den Mut aufzubringen, das zu berühren, was sie sah, fühlte sie sich fast wieder erholt. Nicht völlig, aber trotzdem ziemlich gut. Ganz war das Wort, das ihr dazu einfiel, und es gefiel ihr so gut, daß sie es laut sagte - nicht nur einmal, sondern gleich zweimal. Sie stapfte zu ihrem Bach zurück, wobei sie den Rucksack neben sich herschleppte, und setzte sich dort unter einen Baum. Im Wasser sah sie einem guten Omen gleich einen kleinen gesprenkelten Fisch - vielleicht eine junge Forelle - stromabwärts vorbeischießen.
Trisha blieb einen Augenblick so sitzen, hob ihr Gesicht der Sonne entgegen und schloß dabei die Augen. Dann zog sie ihren Rucksack auf den Schoß, steckte eine Hand hinein und vermengte die Bucheckern mit den Scheinbeeren. Das erinnerte sie an Dagobert Duck, der in seinem Geldspeicher in Gold badete, und sie lachte entzückt. Dieses Bild war absurd und perfekt zugleich.
Sie entkernte ungefähr ein Dutzend Bucheckern, mischte sie mit gleich vielen Beeren (wobei sie diesmal ihre krapproten Finger benützte, um mit damenhafter Sorgsamkeit die Stengel zu entfernen) und warf diese Mischung in drei Portionen als Nachtisch in ihren Mund. Der Geschmack war himmlisch - wie eine der Müsli-Mischungen, die ihre Mutter immer aß -, und als Trisha die letzte Handvoll gegessen hatte, merkte sie, daß sie nicht nur
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