Das Mädchen.
sich nicht erst vorhin gesagt, sie könne alle Dinge sehen und hören, die sie sich nur dringend genug wünsche?
Ganz recht... aber sie hatte sich auch gesagt, wenn sie von etwas überrascht werde, könnte das heißen, daß die Dinge, die sie hörte und sah, wirklich seien. Vier weitere Schritte überzeugten sie davon, daß die Sträucher real waren. Die Beerensträucher ... und ihre üppige Last an Scheinbeeren, mit denen sie wie mit winzigen Äpfeln behangen waren. »Beeren ahoi!« rief sie mit brüchiger, heiserer Stimme aus, und ihre letzten Zweifel schwanden, als zwei Krähen, die sich etwas weiter im Inneren des Beerengestrüpps an heruntergefallenen Früchten gelabt hatten, aufflogen und sie mißbilligend ankrächzten.
Trisha hatte gehen wollen, aber jetzt rannte sie doch los. Als sie die Sträucher erreichte, blieb sie nach Luft ringend und mit blaßroten Flecken auf den Wangen abrupt stehen. Sie streckte ihre schmutzigen Hände aus und zog sie doch wieder zurück, weil sie auf irgendeiner Ebene ihres Bewußtseins weiter der Überzeugung war, ihre Finger würden ins Leere greifen, wenn sie die Beeren zu berühren versuchte. Die Sträucher würden wie ein Spezialeffekt in einem Film flimmern (wie in einem von Petes geliebten »Morphs«) und sich dann als das erweisen, was sie wirklich waren: nur ein weiteres Gewirr aus scheußlichen braunen Dornenranken, die gierig darauf warteten, möglichst viel von Trishas Blut zu trinken, solange es noch warm in ihren Adern floß.
»Nein«, sagte sie und griff wieder danach. Einen Augenblick lang zweifelte sie noch, und dann ... oh, und dann ... Die Scheinbeeren unter ihren Fingerspitzen waren klein und weich. Trisha zerquetschte die erste, die sie pflückte; einige Tropfen roter Saft spritzten auf ihre Haut und riefen die Erinnerung daran wach, wie sie einmal zugesehen hatte, als ihr Vater sich rasierte und sich dabei geschnitten hatte.
Sie hob den Finger mit den roten Tropfen (und einem kleinen Stück der entleerten Beerenhaut) und steckte ihn zwischen ihre Lippen. Der Geschmack war süßlich würzig und erinnerte sie nicht an Teaberry-Kaugummi, sondern an Preiselbeersaft, der frisch aus einer im Kühlschrank stehenden Flasche kam. Der Geschmack brachte sie zum Weinen, aber sie merkte nicht, daß ihr Tränen übers Gesicht liefen. Sie griff bereits nach weiteren Beeren, streifte sie in klebrig blutenden Klumpen von den Blättern, stopfte sie sich in den Mund, kaute sie kaum, sondern verschlang sie nur und grapschte sofort nach mehr.
Ihr Körper öffnete sich den Beeren; er genoß ihren zuckrigen Saft. Das nahm sie wirklich wahr - sie war völlig down davon, wie Pepsi wohl gesagt hätte. Der denkende Teil ihres Ichs schien etwas abseits zu stehen und alles zu beobachten. Sie pflückte die Beeren von den Sträuchern, indem sie ganze Klumpen mit der Hand umschloß und einfach abriß. Ihre Finger und wenig später auch ihre Handflächen färbten sich rot. Als sie tiefer zwischen die Beerensträucher vordrang, sah sie zunehmend wie ein Mädchen aus, das bei einem Unfall häßliche Schnittverletzungen davongetragen hat und rasch in der nächsten Notaufnahme zusammengeflickt werden müßte.
Trisha aß nicht nur Beeren, sondern auch einige Blätter, und ihre Mutter hatte auch damit recht gehabt - sie schmeckten, selbst wenn man kein Waldmurmeltier war. Knackig frisch.
Die Kombination beider Geschmacksrichtungen erinnerte sie an das Gelee, das Gramma McFarland zu Brathähnchen servierte.
Sie hätte sich wahrscheinlich noch längere Zeit essend nach Süden weiterbewegen können, aber der Flecken mit Beerensträuchern nahm ein abruptes Ende. Als Trisha zwischen den letzten Sträuchern hervorkam, starrte sie plötzlich in das sanfte, erschrockene Gesicht und die dunkelbraunen Augen einer ziemlich großen Hirschkuh. Sie ließ zwei Handvoll Beeren fallen und kreischte aus einem Mund, der aussah, als sei er vollkommen mit Lippenstift verschmiert. Die Hirschkuh hatte sich von ihrem knackenden, schmatzenden Vordringen durch die Beerensträucher nicht stören lassen und schien auch ihr Kreischen nur leicht irritierend zu finden, so daß Trisha später dachte, dieses Tier könne von Glück sagen, wenn es die Jagdsaison im kommenden Herbst überlebte. Die Hirschkuh zuckte nur mit den Ohren und wich mit zwei federnden Schritten - eigentlich waren es kurze Sätze - auf eine Lichtung zurück, deren Boden von staubigen grün-goldenen Lichtstrahlen erhellt wurde.
Hinter ihr standen zwei
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