Das Mädchen.
Höhe, die nur ein ungewöhnlich großer Mann hätte erreichen können. Nicht daß Trisha geglaubt hätte, diese Spuren stammten von einem Menschen.
Er hat dich beobachtet. Ja, und irgend etwas beobachtete sie auch in dieser Sekunde. Sie konnte fühlen, daß Blicke über ihre Haut krochen, ganz wie es die kleinen Insekten, die Gnitzen und Stechfliegen, taten. Vielleicht hatte sie die drei Priester im Traum oder als Folge einer Halluzination gesehen, aber das Wildgekröse oder die Krallenspuren an der Erle waren keine Halluzinationen. Auch das Gefühl, diese Augen auf sich zu spüren, war keine Einbildung. Trisha wich schwer atmend, während ihre Augen in ihren Höhlen von einer Seite zur anderen zuckten, zum Rauschen des Bachs zurück und erwartete jeden Augenblick, ihn im Wald zu sehen: den Gott der Verirrten. Sie brach durch das Unterholz, hielt sich an kleinen Zweigen fest und gelangte auf diese Weise rückwärtsgehend bis an den Bach. Sobald sie ihn erreicht hatte, warf sie sich herum und flüchtete über die Felsblöcke ans andere Ufer - halb davon überzeugt, er breche in diesem Augenblick, ganz aus Fängen, Krallen und Stacheln bestehend, aus dem Wald hinter ihr hervor. Sie rutschte auf dem zweiten Felsblock aus, wäre fast ins Wasser gefallen, schaffte es, ihr Gleichgewicht zu bewahren, und stolperte das andere Ufer hinauf. Sie drehte sich um und sah zurück. Dort drüben war nichts. Sogar die meisten Schmetterlinge waren fort, obwohl einer oder zwei noch umherschaukelten, als widerstrebe es ihnen, den Tag zu beenden.
Dies wäre vermutlich ein guter Platz für ein Nachtlager gewesen - nicht weit von den Scheinbeerensträuchern und der Bucheckernlichtung entfernt -, aber sie konnte nicht hier bleiben, wo sie die Priester gesehen hatte. Es waren wahrscheinlich nur Traumgestalten, aber der eine in der schwarzen Robe war grausig gewesen. Außerdem mußte sie an das Hirschkalb denken. Sobald die Fliegen in Massen kamen, würde sie ihr Summen hören. Trisha öffnete ihren Rucksack, holte eine Handvoll Beeren heraus und machte dann eine Pause. »Danke«, sagte sie zu ihnen. »Ihr seid das beste, was ich je genossen habe, wißt ihr.«
Sie wanderte bachabwärts weiter, schälte unterwegs ein paar Bucheckern und mampfte sie im Gehen. Nach einer kleinen Weile begann sie zu singen, zunächst verhalten, aber dann mit überraschender Begeisterung, während der Tag zur Neige ging: »Put your arms around me ... cuz I gotta get next to you ... all your loveforever ... you make mefeel brand new …«
Yeah, Baby.
SIEBTER DURCHGANG, ERSTE HÄLFTE
Als das Zwielicht sich langsam unverkennbar zur Nacht verdichtete, erreichte Trisha ein felsiges Hochplateau mit Blick über ein kJeines, in blauen Schatten liegendes Tal. Sie suchte dieses Tal begierig ab, weil sie hoffte, Lichter zu sehen, aber es gab keine. Irgendwo erklang der laute Ruf eines Seetauchers, und eine Krähe schien ihm mißgelaunt zu antworten. Das war alles.
Als sie sich umsah, fielen ihr mehrere niedrige Felsen auf, zwischen denen vom Wind zusammengetriebene Kiefernnadeln kleine Liegepolster bildeten. Trisha stellte ihren Rucksack am Kopfende einer dieser Mulden auf, ging zu den nächsten Kiefern und brach genügend Zweige ab, um ihr Lager damit zu polstern. So entstand zwar kein perfektes Komfort-Bett, aber es würde ihr reichen. Die anbrechende Dunkelheit hatte inzwischen vertraute Gefühle von Einsamkeit und kummervollem Heimweh ausgelöst, aber ihr schlimmster Schrecken hatte sich gelegt. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war nach und nach abgeklungen. Falls es dieses Ding in den Wäldern tatsächlich gab, hatte es sich zum Glück getrollt und sie wieder sich selbst überlassen.
Trisha ging wieder zum Bach, kniete nieder und trank. Obwohl sie tagsüber immer wieder leichte Magenkrämpfe gehabt hatte, glaubte sie trotzdem, daß ihr Körper sich an dieses Wasser gewöhnte. »Auch kein Problem mit den Beeren und Bucheckern«, sagte sie, dann lächelte sie, »bis auf ein paar Alpträume und dergleichen.« Sie ging zu ihrem Rucksack und ihrem behelfsmäßigen Lager zurück, holte ihren Walkman heraus und setzte den Kopfhörer auf. Ein plötzlicher Windstoß, der sie streifte, war kalt genug, um ihre schweißnasse Haut abzukühlen und sie zittern zu lassen. Trisha zog die kläglichen Überreste ihres Ponchos heraus und breitete das schmutzige blaue Plastikmaterial als Decke über sich aus. Nicht sehr wärmend, aber (dies war eine von Moms Redensarten) allein
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