Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
der Gedanke zählte.
    Sie schaltete ihren Walkman ein, aber obwohl sie das Radio nicht verstellt hatte, hörte sie an diesem Abend nur ein schwaches atmosphärisches Rauschen. Sie konnte WCAS nicht mehr empfangen.
    Trisha suchte die UKW-Skala systematisch ab. Irgendwo bei 95 hörte sie leise klassische Musik, und etwa bei 99 predigte ein Moralapostel über Erlösung. Trisha war sehr an Erlösung interessiert, aber nicht von der Art, die dieser Kerl im Rundfunk predigte; die einzige Hilfe, die sie im Augenblick von Gott begehrte, war ein Hubschrauber voller freundlich winkender Leute. Sie suchte weiter, hörte Celine Dion laut und deutlich auf 104, zögerte und suchte dann weiter. Heute abend wollte sie die Red Sox: Joe und Troop, nicht Celine, die davon sang, wie ihr Herz nie aufhören würde zu lieben. Kein Baseball auf UKW, aber auch überhaupt nichts anderes. Trisha schaltete auf Mittelwelle um und suchte bei 850 kHz, der Frequenz von WEEI in Boston. WEEI war der Haussender der Red Sox. Sie erwartete keinen perfekten Empfang oder dergleichen, aber sie war hoffnungsvoll; nachts konnte man viele Mittelwellensender empfangen, und WEEI war ein starker Sender. Der Empfang würde vermutlich ein wenig schwanken, aber damit konnte sie sich abfinden. Ansonsten hatte sie heute abend nicht viel anderes vor; kein heißes Date oder irgendwas in dieser Art. Der Empfang von WEEI war erstaunlich gut - tatsächlich sogar glockenrein -, aber Joe und Troop waren nicht auf Sendung. An ihrer Stelle quasselte einer der Kerle, die ihr Dad als »Talkshow-Idioten« bezeichnete. Dieser hier war ein Sporf-Talkshow-Idiot. Regnete es in Boston etwa? Spiel abgesagt, leere Sitze, Planen auf dem Spielfeld? Trisha sah zweifelnd zu ihrem Stück Himmel auf, an dem die ersten Sterne jetzt wie kleine Goldmünzen auf dunkelblauem Samt leuchteten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis dort oben eine Zillion von ihnen stand; sie konnte keine einzige Wolke erkennen. Natürlich war sie hundertfünfzig Meilen von Boston entfernt, vielleicht sogar mehr, aber ... Der Talkshow-Idiot hatte Walt aus Framingham am Telefon. Walt telefonierte vom Auto aus. Als der Talkshow-Idiot ihn fragte, wo er gerade sei, antwortete Walt aus Framhingham: »Irgendwo in Danvers, Mike« und sprach dabei den Namen der Stadt wie alle Leute in Massachusetts aus - Danvizz, was nicht wie eine Stadt, sondern eher wie etwas klang, das man bei Magenbeschwerden trank. Im Wald verirrt? Geradewegs aus dem Bach getrunken und davon die Scheißerei gekriegt? Ein Teelöffel Danvizz, und Sie fühlen sich sofort wohler!
    Walt aus Framingham wollte wissen, warum Tom Gordon jedesmal gen Himmel deutete, wenn er ein Spiel gewann (»Sie wissen schon, Mike, diese Zeigesache«, so drückte Walt sich aus), und Mike der Sport-Talkshow-Idiot erklärte ihm, damit wolle Nummer 36 Gott danken.
    »Er sollte lieber auf Joe Kerrigan zeigen«, meinte Walt aus Framingham. »Kerrigan ist auf die Idee gekommen, ihn als Closer einzusetzen. Als Starter hat er nicht viel gebracht, wissen Sie?«
    »Vielleicht hat Gott Kerrigan diese Idee eingegeben, haben Sie sich das schon mal überlegt, Walt?« fragte der Talkshow-Idiot. »Wobei Joe Kerrigan der Wurftrainer der Red Sox ist - dies zur Information derer, die das vielleicht nicht wissen.«
    »Ich weiß es aber, Blödmann«, murmelte Trisha ungeduldig. »Wir reden heute abend hauptsächlich über die Sox, während die Sox einen ihrer seltenen freien Abende genießen«, sagte Mike der Talkshow-Idiot. »Sie beginnen morgen gegen Oakland eine Dreierserie -ja, Westküste, wir kommen, und Sie hören jedes Spiel bei uns auf WEEI -, aber der heutige Abend ist spielfrei.«
    Ein spielfreier Abend, das erklärte alles. Trisha spürte, wie eine absurd schwere Enttäuschung sie niederdrückte, und weitere Tränen (in Danvizz sagte man dazu nicht »tears«, sondern »tizz«) begannen sich in ihren Augen zu sammeln. Sie weinte jetzt so leicht; sie weinte jetzt über alles. Aber sie hatte sich auf das Spiel gefreut, verdammt noch mal. Sie hatte nicht gewußt, wie sehr sie die Stimmen Joe Castiglio-nes und Jerry Trupianos brauchte, bis sie erfuhr, daß sie sie heute abend nicht hören würde.
    »Wir haben ein paar freie Leitungen«, sagte der TalkshowIdiot, »und die wollen wir doch nutzen. Findet irgend jemand dort draußen, Mo Vaughn solle aufhören, den kleinen Jungen zu spielen, und statt dessen einfach auf der gepunkteten Linie unterschreiben? Wieviel mehr Geld braucht dieser Kerl

Weitere Kostenlose Bücher