Das Mädchen.
zugleich war: Vielleicht hatten die Beeren und Bucheckern sie nicht nur satt, sondern auch high gemacht. Sie wußte, daß es bestimmte Pilze gab, von denen man high werden konnte, daß Leute manchmal Stücke davon aßen, um sich zu berauschen, und wenn Pilze das konnten, wieso nicht auch Scheinbeeren? »Oder die Blätter«, sagte sie. »Vielleicht sind's die Blätter gewesen. Ich wette, daß sie's gewesen sind.« Okay, keine mehr, und wenn sie noch so knackig frisch waren.
Trisha stand auf, verzog das Gesicht, als ein Krampf durch ihren Unterleib lief, und beugte sich nach vorn. Sie pupste und fühlte sich besser. Danach ging sie an den Bach, sah einige größere Felsbrocken aus dem Wasser ragen und benutzte sie als Trittsteine, um ans andere Ufer hinüberzuhüpfen. In gewisser Beziehung fühlte sie sich wie neugeboren, hellwach und voller Energie, aber der Gedanke an den Wespenpriester ließ sie nicht los, und sie wußte, daß ihr Unbehagen sich nach Sonnenuntergang nur verschlimmern würde. Wenn sie nicht aufpaßte, würde sie die Panik kriegen. Aber wenn sie sich selbst beweisen konnte, daß das Ganze nur ein Traum gewesen war, den sie nur gehabt hatte, weil sie Scheinbeerenblätter gegessen oder vielleicht Wasser getrunken hatte, an das ihr Körper noch immer nicht ganz gewöhnt war ...
Tatsächlich machte ihr Aufenthalt auf der kleinen Lichtung sie nervös. Sie fühlte sich wie eine Gestalt in einem Horrorfilm - das dumme Mädchen, das ins Haus des Psychopathen geht und fragt: »Ist hier jemand?« Sie sah über den Bach zurück, spürte sofort, daß sie aus dem Wald auf dem diesseitigen Ufer beobachtet wurde, und drehte sich so schnell wieder um, daß sie beinahe hingefallen wäre. Aber dort war nichts. Soweit sie erkennen konnte, war nirgendwo irgend etwas.
»Du Hosenscheißer«, sagte Trisha leise, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, war zurückgekehrt, und es war sehr deutlich zurückgekehrt. Der Gott der Verirrten, hatte der Wespenpriester gesagt. Er hat dich beobachtet, er hat auf dich gewartet. Der Wespenpriester hatte noch andere Dinge gesagt, aber nur daran erinnerte sie sich: Dich beobachtet, auf dich gewartet.
Trisha ging zu der Stelle, an der die drei Gestalten in langen Gewändern gestanden haben mußten, und suchte eine Spur von ihnen, irgendeine Spur. Aber sie fand keine. Sie kniete sich hin, um genauer suchen zu können, und konnte trotzdem nichts entdecken, nicht einmal einen Fleck im Muster der Kiefernnadeln, den sie in ihrer Angst als Fußabdruck hätte deuten können. Sie stand wieder auf, wandte sich ab, um den Bach zu überqueren, und wurde dabei auf etwas im Wald rechts von ihr aufmerksam.
Sie bewegte sich in diese Richtung, blieb dann stehen und starrte in das dunkle Gewirr, in dem junge Bäume mit dünnen Stämmen eng zusammengedrängt wuchsen, die über dem Erdboden miteinander um Licht und Raum und unter ihm zweifellos mit dem wuchernden Unterholz um Feuchtigkeit und Wurzelraum konkurrierten. An einigen Stellen ragten Birken wie hagere Gespenster aus dem dunkleren Grün auf. Auf der fast weißen Rinde einer dieser Birken war ein hingespritzter Fleck zu erkennen. Trisha sah sich nervös um, dann bahnte sie sich einen Weg durch das Wäldchen zu der Birke. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und ihr Verstand kreischte sie an, sie solle kein solcher Dummkopf, keine solche Verrückte, kein solches Arschloch sein, aber sie ging unbeirrbar weiter. Am Fuß der Birke lag ein blutiges Gewirr aus Darmschlingen, das noch so frisch war, daß sich erst wenige Fliegen darauf niedergelassen hatten. Gestern hatte sie bei einem ähnlichen Anblick mit aller Kraft kämpfen müssen, um sich nicht zu übergeben, aber heute schien das Leben anders zu sein; die Dinge hatten sich geändert. Ihr war nicht bibberig zumute; es gab keine vollmundigen Hickser und keinen instinktiven Drang, sich abzuwenden oder wenigstens wegzusehen. Statt dessen fühlte sie eine Kälte, die irgendwie weit schlimmer war. Das war wie Ertrinken - nur von innen heraus.
In den Büschen neben den Eingeweiden hatte sich ein Stück braunes Fell verfangen, auf dem sie weiße Tupfer erkannte. Dies waren die Überreste eines Hirschkalbs, eines der beiden Jungtiere, die sie auf der Bucheckernlichtung überrascht hatte, dessen war sie ganz sicher. Weiter im Inneren des Waldes, den die Schatten der nahenden Nacht einzuhüllen begannen, sah sie eine Erle stehen, deren Stamm wieder tiefe Krallenspuren trug. Sie befanden sich in einer
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