Das Mädchen.
war sie in dem Fahrerhaus des Lastwagens ziemlich trocken geblieben. Auf dem Boden um die alten Pedale herum stand eine Wasserlache, und ihr linker Arm war naß geworden, aber das war praktisch alles. Falls sie im Schlaf gehustet hatte, war ihr Husten nicht laut genug gewesen, um sie zu wecken. Ihr Hals fühlte sich etwas gereizt an, und ihre Stirnhöhlen schienen verstopft zu sein, aber diese Dinge konnten sich bessern, sobald sie aus dem verdammten Staub herauskam.
Es ist letzte Nacht hier gewesen. Du hast es gesehen. Aber hatte sie das? Hatte sie das wirklich?
Es ist deinetwegen gekommen, es wollte dich holen. Dann bist du in den Lastwagen geklettert, und es hat beschlossen, dich doch unbehelligt zu lassen. Warum, weiß ich nicht, aber so ist es gewesen.
Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht war die ganze Sache nur ein böser Traum gewesen, wie man ihn haben konnte, wenn man halbwach war und zugleich noch halb schlief. Etwas, das dadurch ausgelöst worden war, daß sie mitten in einem heftig tobenden Gewitter mit herabzuckenden Blitzen und stürmischen Winden aufgewacht war. In einer Situation dieser Art konnte man alles mögliche sehen. Trisha packte ihren Rucksack an einem leicht ausgefransten Tragriemen, schlängelte sich rückwärts aus der Fahrertür ins Freie, wirbelte dabei weiteren Staub auf und bemühte sich, ihn nicht einzuatmen. Als sie draußen war, trat sie einige Schritte zurück (die ehemals rostrote Oberfläche des Fahrerhauses war durch die Nässe pflaumenfarben geworden) und wollte ihren Rucksack über die Schultern nehmen. Dann erstarrte sie mitten in der Bewegung. Der Tag war hell und warm, der Regen hatte aufgehört, sie hatte eine Straße, der sie folgen konnte ... aber plötzlich fühlte sie sich alt und müde und auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt. Leute konnten sich alles mögliche einbilden, wenn sie plötzlich aufwachten, vor allem wenn sie mitten in einem Gewitter aufwachten. Natürlich konnten sie das. Aber was sie jetzt sah, bildete sie sich nicht ein. Während sie geschlafen hatte, hatte irgend etwas einen Kreis durch die Blätter und Nadeln und Sträucher gegraben, die den verlassenen Lastwagen umgaben. Im Morgenlicht war es deutlich zu sehen: eine Kreislinie aus nasser schwarzer Erde in dem üppigen Grün. Büsche und kleine Bäume, die im Weg gestanden hatten, waren mit ihren Wurzeln ausgerissen und die abgeknickten Stücke beiseite geworfen worden. Der Gott der Verirrten war gekommen und hatte einen Kreis um sie gezogen, wie um zu sagen: Haltet euch fern - sie gehört mir, sie ist mein Eigentum.
NEUNTER DURCHGANG, ERSTE HÄLFTE
Trisha war den ganzen Sonntag lang unterwegs, während der niedrige, dunstige Himmel auf ihr lastete. Vormittags dampften die nassen Wälder noch, aber am frühen Nachmittag waren sie wieder trocken. Die Hitze war gewaltig. Sie war noch immer froh, die Straße gefunden zu haben, aber jetzt wünschte sie sich trotzdem Schatten. Sie fühlte sich wieder fiebrig und nicht nur müde, sondern völlig erschöpft. Das Ding beobachtete sie, hielt im Wald mit ihr Schritt und beobachtete sie. Diesmal verließ das Gefühl sie nicht mehr, weil das Ding sie nicht verließ. Es war im Wald rechts neben ihr. Sie glaubte einige Male, es tatsächlich zu sehen, aber vielleicht waren das nur Schatten, die sich mit der durchs Geäst wandernden Sonne zu bewegen schienen. Trisha wollte es gar nicht sehen; ihr genügte, was sie in der Nacht zuvor im Licht jenes einzelnen Blitzstrahls erkannt hatte. Sein Fell, seine riesigen aufgestellten Ohren, seine plumpe Masse. Und die Augen. Seine schwarzen Augen, groß und unmenschlich. Glasig, aber aufmerksam. Ihrer gewahr. Es geht nicht weg, bevor es sicher ist, daß ich hier nicht mehr rausfinde, dachte sie erschöpft. Das wird es nicht zulassen. Es wird mich nicht entkommen lassen. Kurz nach Mittag sah sie, daß die Pfützen in den Fahrspuren auszutrocknen begannen, und ergänzte ihren Wasservorrat, solange noch Gelegenheit dazu war. Sie benutzte ihre Kappe als Filter, ließ das Wasser durch sie in die Kapuze ihres Ponchos rinnen und füllte es dann in die Plastikflaschen. Das Wasser blieb trüb, sogar schmutzig, aber solche Dinge machten ihr keine wirklichen Sorgen mehr. Wäre das Waldwasser für ihren Körper tödlich, überlegte sie sich, wäre sie vermutlich bereits gestorben, als es das erste Mal Brechdurchfall hervorgerufen hatte. Was ihr jedoch Sorgen machte, war der Nahrungsmangel. Als sie ihre Flaschen gefüllt hatte,
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