Das Mädchen.
der anderen Fahrspur - noch immer auf allen vieren. Sie kroch wie eine Blinde und rief dabei unter Tränen aus: »Eine Straße! Das ist eine Straße! Ich hab' eine Straße gefunden! Danke, lieber Gott! Danke, lieber Gott! Danke für diese Straße!«
Schließlich machte sie halt, streifte ihren Rucksack ab und legte sich in die Furche. Die ist durch Räder entstanden, dachte sie und lachte unter Tränen. Etwas später wälzte sie sich auf den Rücken und sah zum Himmel auf.
ACHTER DURCHGANG
Nach einigen Minuten stand Trisha auf. Sie folgte der Straße eine weitere Stunde lang, bis die Abenddämmerung sie dicht umhüllte. Drüben im Westen, erstmals seit dem Tag, an dem sie sich verirrt hatte, konnte sie Donner rumpeln hören. Sie sollte unter die dichteste Baumgruppe schlüpfen, die sie finden konnte, doch wenn es heftig genug regnete, würde sie trotzdem naß werden. In ihrer augenblicklichen Stimmung war Trisha das ziemlich egal.
Sie blieb zwischen den alten Fahrspuren stehen und wollte eben ihren Rucksack von den Schultern gleiten lassen, als sie vor sich im Halbdunkel etwas entdeckte. Etwas aus der Welt der Menschen; ein Ding mit Ecken. Sie zog ihre Tragriemen wieder hoch, näherte sich langsam der rechten Straßenseite und blinzelte mit zusammengekniffenen Augen wie jemand, der kurzsichtig geworden, aber zu eitel ist, um eine Brille zu tragen. Im Westen rumpelte der Donner etwas lauter.
Es war ein Lastwagen, oder das Fahrerhaus eines Lastwagens, das aus dem dichtem Unterholz ragte. Seine Motorhaube war lang und fast völlig mit Waldefeu überwuchert. Ein Seitenteil der Motorhaube war hochgestellt, so daß Trisha sehen konnte, daß der Motor fehlte; wo er gesessen hatte, wuchsen jetzt Farne. Das Fahrerhaus war dunkelrot vor Rost und auf eine Seite gekippt. Die Windschutzscheibe existierte längst nicht mehr, aber im Fahrerhaus war immer noch ein Sitz. Seine Polsterung war größtenteils verrottet oder von Kleingetier weggenagt.
Weiterer Donner, und diesmal konnte sie sehen, wie Blitze durch die Wolken zuckten, die rasch heranzogen und dabei die ersten Sterne aufzufressen schienen. Trisha brach einen Zweig ab, streckte ihren Arm durch den Rahmen, in dem die ausstellbare Windschutzscheibe gesessen hatte, und klopfte das Sitzpolster so kräftig wie möglich aus. Die Menge des aufsteigenden Staubs war verblüffend -Staubwolken trieben wie Nebelschwaden aus den Öffnungen, in denen Windschutzscheibe und Seitenfenster gesessen hatten. Noch verblüffender war die Flut von Backenhörnchen, die quiekend von den Bodenbrettern heraufquollen und durch das rautenförmige hintere Fenster flüchteten. »Alle Mann von Bord!« rief Trisha. »Wir haben einen Eisberg gerammt. Frauen und Backenhörnchen zu...« Sie bekam den Staub in die Lunge. Der dadurch ausgelöste Hustenanfall quälte sie, bis sie sich mit ihrem Schlagstock über den Knien schwer hinsetzte und halb ohnmächtig nach Luft rang. Sie entschied sich dafür, die Nacht nun doch nicht im Fahrerhaus des alten Lastwagens zu verbringen. Sie hatte keine Angst vor ein paar verbliebenen Backenhörnchen, nicht einmal vor Schlangen (hätten dort Schlangen gehaust, wären die Backenhörnchen schon längst ausgezogen, vermutete sie), aber sie hatte keine Lust, acht Stunden lang Staub einzuatmen und zu husten, bis sie blau im Gesicht war. Es wäre klasse gewesen, wieder unter einem richtigen Dach zu schlafen, aber der Preis dafür war ihr zu hoch. Trisha bahnte sich einen Weg durch das Unterholz in der Nähe des Fahrerhauses und ging noch ein Stück weit in den Wald hinein. Sie setzte sich unter eine große alte Fichte, aß ein paar Bucheckern und trank etwas Wasser. Proviant und Getränke begannen wieder knapp zu werden, aber sie war zu müde, um sich an diesem Abend darüber Sorgen zu machen. Sie hatte eine Straße gefunden, nur das zählte. Die Straße war alt und unbenutzt, aber sie konnte sie irgendwohin führen. Natürlich konnte sie auch versickern, wie die Bäche es getan hatten, aber daran wollte Trisha jetzt nicht denken. Vorerst würde sie sich zu hoffen gestatten, die Straße würde sie dorthin bringen, wo die Bäche sie nicht hingebracht hatten.
Diese Nacht war heiß und drückend - die schwüle Seite der kurzen, aber manchmal extremen Sommer in New England. Trisha wedelte ihrem schmutzigen Hals mit dem Halsausschnitt ihres schmutzigen Trikots Kühlung zu, streckte die Unterlippe vor, blies sich die Haare aus der Stirn, setzte dann ihre Mütze wieder auf und
Weitere Kostenlose Bücher