Das Mädchen.
lehnte sich halb liegend an ihren Rucksack. Sie dachte daran, ihren Walkman herauszuholen, und entschied sich dagegen. Versuchte sie, heute abend die Übertragung eines Spiels an der Westküste zu hören, schlief sie bestimmt ein und gab den fast verbrauchten Batterien den Rest.
Sie rutschte noch tiefer, verwandelte ihren Rucksack in ein Kopfkissen, und empfand etwas, das so gänzlich verschwunden gewesen war, daß seine Rückkehr ihr wie ein Wunder erschien: einfache Zufriedenheit. »Danke, lieber Gott«, sagte sie. In den nächsten drei Minuten war sie eingeschlafen.
Sie wachte ungefähr zwei Stunden später auf, als die ersten kalten Tropfen eines prasselnden Gewitterregens ihren Weg durchs Geäst fanden und ihr ins Gesicht klatschten. Dann spaltete Donner die Welt, und sie setzte sich keuchend auf.
Die Bäume ächzten und knarrten in stürmischem Wind, fast in einem Orkan, und ein jäh niederzuckender Blitz ließ sie mit scharfen Kontrasten wie auf Pressefotos hervortreten. Trisha kam mühsam auf die Beine, strich sich ihre Haare aus den Augen und fuhr dann erschrocken zusammen, als weiterer Donner rumpelte ... nur war es diesmal eher ein Peitschenknall als ein Rumpeln. Das Gewitter tobte fast genau über ihr. Auf diese Weise würde sie bald klatschnaß sein, selbst wenn sie unter den Bäumen blieb. Sie riß ihren Rucksack an sich und stolperte zu der dunklen Masse des alten Lastwagens mit seinem halb umgekippten Fahrerhaus zurück. Schon nach drei Schritten blieb sie stehen, sog die feuchte Luft keuchend ein, hustete sie dann aus und spürte dabei kaum die Blätter und kleinen Zweige, die im böigen Wind ihren Nacken und ihre Arme peitschten. Irgendwo im Wald hinter ihr stürzte ein Baum mit berstendem, splitterndem Krachen um.
Es war hier, und es war ganz nah.
Als der Wind plötzlich umsprang und ihr eine Handvoll Regen ins Gesicht trieb, konnte sie es schließlich auch riechen - seinen scharfen Raubtiergestank, der sie an Käfige im Zoo erinnerte. Nur steckte das Ding dort draußen nicht in einem Käfig.
Trisha setzte sich wieder in Richtung Lastwagen in Bewegung, hielt eine Hand vor sich, zum Schutz vor den vom Wind gepeitschten Zweigen, und drückte mit der anderen ihre Red-Sox-Mütze auf ihren Kopf, damit sie nicht davonflog. Dornenranken schlangen sich um ihre Knöchel und Waden, und als sie aus dem schützenden Wald an den Rand ihrer Straße trat (das war sie in ihrer Vorstellung, ihre Straße), war sie augenblicklich klatschnaß.
Als sie die linke Tür des Fahrerhauses erreichte, die halb offen in festgerosteten Scharnieren hing und durch deren Fensterrahmen, der einer leeren Augenhöhle glich, sich Ranken schlängelten, zuckte wieder ein Blitz herab und färbte die ganze Welt purpurrot. In seinem grellen Licht sah Trisha jenseits der Straße etwas stehen, etwas mit hängenden Schultern, mit schwarzen Augen und großen aufgestellten Ohren, die wie Hörner aussahen. Vielleicht waren es Hörner. Es war kein Mensch; andererseits hielt sie es auch nicht für ein Tier. Es war ein Gott. Es war ihr Gott, es war der Wespengott, der dort im Regen stand.
»NEIN!« kreischte sie und hechtete ins Fahrerhaus, ohne auf die Staubwolke, die sie einhüllte, und den Modergeruch der alten Polsterung zu achten. »NEIN, HAU AB! VERSCHWINDE UND LASS MICH IN RUHE!«
Ein weiterer Donnerschlag war die Antwort. Auch der Regen antwortete ihr, indem er auf das rostige Dach des Fahrerhauses trommelte. Trisha verbarg ihren Kopf in den Armen und wälzte sich hustend und zitternd auf die Seite. Sie wartete noch immer darauf, daß es kommen würde, als sie wieder einschlief.
Dieser Schlaf war fest und - soweit sie sich erinnern konnte - traumlos. Als sie aufwachte, war es heller Tag. Es war heiß und sonnig, die Bäume schienen grüner zu sein als am Tag zuvor, das Gras üppiger, die zwitschernden Vögel von einer ausgelassenen Fröhlichkeit. Wasser tropfte von den raschelnden Blättern und Zweigen; als Trisha den Kopf hob und durch das schräge glaslose Rechteck blickte, in dem die Windschutzscheibe des alten Lastwagens gesessen hatte, sah sie als erstes Sonnenlicht, das sich auf der Oberfläche einer Pfütze in einer der Fahrspuren der Straße spiegelte.
Dieses Glänzen blendete sie so sehr, daß sie schützend eine Hand hob und die Augen zusammenkniff. Das Nachbild hing vor ihr, auch als das wahre Bild verschwunden war: der widergespiegelte Himmel, erst blau, dann in einem verblassenden Grün.
Trotz der fehlenden Scheiben
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