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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aß sie die Beeren und Bucheckern, bis auf einen kleinen Rest; morgen zum Frühstück würde sie dann den Boden ihres Rucksacks absuchen, wie sie ihn nach den letzten Kartoffelchips abgesucht hatte. Vielleicht würde sie entlang der Straße etwas Eßbares finden, aber sie machte sich keine großen Hoffnungen.
    Die Straße ging endlos weiter, war an manchen Stellen etwas weniger ausgeprägt und lag dann wieder für einige hundert Meter deutlich erkennbar vor ihr. Auf einem Abschnitt war der Streifen zwischen den Fahrspuren mit dornigen Sträuchern bewachsen. Trisha hielt sie für Brombeersträucher - sie sahen genau wie die Sträucher aus, von denen ihre Mom und sie in den Spielzeugwäldern von Sanford ganze Mützen voll frischer, süßer Beeren gepflückt hatten, aber für Brombeeren war es einen Monat zu früh. Sie sah auch Pilze, traute aber keiner Art genug, um sie zu essen. Sie gehörten nicht zum Erfahrungsschatz ihrer Mutter, und in der Schule hatten sie keine durchgenommen. In der Schule hatten sie alles über Bucheckern gelernt und daß man nie zu Unbekannten ins Auto steigen durfte (weil manche es auf kleine Mädchen abgesehen hatten), aber nichts über Pilze. Mit Bestimmtheit wußte sie nur, daß man starb - unter gräßlichen Schmerzen starb -, wenn man die falsche Sorte aß. Und sie stehenzulassen war kein großes Opfer. Sie hatte mittlerweile nur noch wenig Appetit, und ihr Hals war entzündet.
    Gegen vier Uhr nachmittags stolperte sie über ein Aststück, fiel auf ihre rechte Seite, versuchte sich aufzurappeln und merkte, daß sie das nicht konnte. Ihre Beine zitterten und waren vollkommen kraftlos. Sie streifte ihren Rucksack ab (mit dem sie beunruhigend lange zu kämpfen hatte) und schaffte es endlich, sich von ihm zu befreien. Sie aß alle bis auf zwei oder drei Bucheckern und hätte die letzte fast wieder hervorgewürgt. Sie kämpfte darum, sie bei sich zu behalten, und siegte, indem sie einen langen Hals wie ein Jungvogel machte und zweimal schluckte. Damit die Buchecker wirklich unten blieb (zumindest vorläufig), trank sie einen Schluck warmes, sandiges Wasser nach.
    »Zeit für die Red Sox«, murmelte sie und holte ihren Walkman aus dem Rucksack. Sie bezweifelte, daß sie die Übertragung hereinbekommen würde, aber ein Versuch konnte nicht schaden; draußen an der Westküste war es jetzt ungefähr ein Uhr, und da bestimmt tagsüber gespielt wurde, mußte das Spiel gerade anfangen. Im UKW-Bereich war überhaupt nichts zu hören, nicht einmal irgendeine ferne, leise Musik. Auf Mittelwelle fand sie einen Mann, der rasend schnell auf Französisch quasselte (und zwischendurch mehrmals lachte, was beunruhigend war), und dann etwa bei 1600 kHz, ganz am Ende der Skala, stieß sie auf ein Wunder: Joe Castigliones Stimme, schwach, aber verständlich.
    »Also, Valentin entfernt sich schon mal von der zweiten«, sagte er gerade. »Jetzt kommt der Wurf bei drei und eins ... und Garciaparm schlägt hoch und weit ins rückwärtige Mittelfeld! Der Ball fliegt weit ... er ist DRAUSSEN! Die Red Sox führen mit zwei zu null!«
    »Gut gemacht, Nomar, echt klasse, Mann«, sagte Trisha mit einer heiser krächzenden Stimme, die sie kaum als ihre eigene erkannte, und pumpte mit ihrer Faust schwach in der Luft. O'Leary schied mit drei Fehlschlägen aus, dann war das Inning zu Ende. »Wen rufen Sie an, wenn Ihre Windschutzscheibe kaputt ist?« sangen Stimmen aus einer fernen Welt, aus einer, in der es überall Wege gab und alle Götter hinter den Kulissen tätig waren. »1-800«, begann Trisha. »54...«
    Sie verstummte, bevor sie den Jingle zu Ende bringen konnte. Als ihr Halbschlaf tiefer wurde, rutschte sie immer weiter nach rechts und hustete manchmal. Ihr tiefes Husten klang bellend, schleimig. Während des fünften Innings kam etwas an den Waldrand, um sie anzustarren. Fliegen und Stechfliegen bildeten eine Wolke um die Andeutung eines Gesichts. In dem trügerischen Glanz seiner Augen lag eine vollständige Geschichte von nichts. Es blieb lange Zeit dort stehen. Schließlich deutete es mit seinen rasiermesserscharfen Krallen auf sie - sie gehört mir, sie ist mein Eigentum - und zog sich in den Wald zurück.

NEUNTER DURCHGANG, ZWEITE HÄLFTE

Irgendwann im letzten Drittel des Spiels glaubte Trisha, für kurze Zeit benommen aufzuwachen. Der Kommentator war Jerry Trupiano - zumindest klang seine Stimme wie die von Troop, aber er sagte, die Seattle Monsters hielten alle Bases besetzt, und Gordon versuche nun, das

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