Das Mädchen.
ihrem verschorften, schmutzigen linken Knöchel pendelte. Dieses Geräusch kannte sie; es war das Rattern von Fehlzündungen durch einen alten Auspuff. Vielleicht ein Lastwagen oder die getunte Karre eines Teenagers. Dort vorn war eine Straße. Eine richtige Straße.
Sie wäre am liebsten losgerannt, aber sie wußte, daß sie das nicht durfte. Damit hätte sie ihre gesamte Kraft mit einem Schlag vergeudet. Das wäre schrecklich gewesen. In Ohnmacht zu fallen und vielleicht tatsächlich in Hörweite von echtem Verkehr an Entkräftung zu sterben wäre so gewesen, als verpatze man das Spiel noch, wenn das gegnerische Team bereits beim letzten Strike angelangt war. Solche Abscheulichkeiten passierten, aber sie würde nicht zulassen, daß sie ihr passierten.
Statt dessen begann sie zu gehen, zwang sich zu langsamen, überlegten Bewegungen und horchte die ganze Zeit auf eine weitere Serie dieser ratternden Fehlzündungen oder fernes Motorengeräusch oder ein Hupen. Aber sie hörte nichts, gar nichts, und nach etwa einer Stunde begann sie zu glauben, alles sei nur eine Halluzination gewesen. Es war ihr nicht wie eine vorgekommen, aber ...
Sie kam über eine Anhöhe und sah auf der anderen Seite hinunter. Sie begann erneut zu husten und spuckte wieder Blut, das in der Sonne hellrot glänzte, aber Trisha achtete nicht darauf - sie hob nicht einmal eine Hand. Dort unten endete der Holzweg mit den Fahrspuren, auf dem sie sich befand, stieß T-förmig auf eine nicht asphaltierte Forststraße.
Trisha ging langsam hinunter und blieb auf ihr stehen. Sie konnte keine Reifenspuren erkennen - der gewalzte Belag war zu hart -, aber hier gab es richtige Fahrspuren, zwischen denen kein Gras wuchs. Die neue Straße verlief rechtwinklig zu ihrer Straße, ungefähr in Ost-West-Richtung. Und hier traf Trisha endlich die richtige Entscheidung. Daß sie sich nach Westen wandte, hatte keinen anderen Grund, als daß sie wieder Kopfschmerzen hatte und nicht genau in Richtung Sonne gehen wollte ... aber sie wandte sich nach Westen. Vier Meilen von ihrem Standort entfernt verlief die New Hampshire Route 96 als vielfach ausgeflicktes Asphaltband durch die Wälder. Nur wenige Personenwagen und sehr viele Holzlaster benutzten diese Straße; die Fehlzündungen aus der uralten Auspuffanlage eines dieser Laster hatte Trisha gehört, als sein Fahrer vor dem Kemongus Hill heruntergeschaltet hatte. In der stillen Morgenluft hatte dieses Geräusch über neun Meilen weit getragen. Sie setzte sich wieder in Bewegung - diesmal mit dem Gefühl neuer Kraft. Etwa eine Dreiviertelstunde später hörte sie etwas anderes, das noch fern, aber unverkennbar war. Sie legte den Kopf schief wie der Hund auf Gramma McFarlands alten Schallplatten, die Gramma oben auf ihrem Speicher aufbewahrte. Sie hielt den Atem an. Sie hörte das Pochen ihres Herzschlags in ihren Schläfen, das Pfeifen ihres Atems in ihrem entzündeten Hals, das Rufen der Vögel, das Rascheln von Laub in der Brise. Sie hörte das Summen von Insekten an ihren Ohren ... und auch ein anderes Summen. Das Summen von Autoreifen auf Asphalt. Sehr fern, aber unüberhörbar.
Trisha begann zu weinen. »Bitte, laß mich mir das nicht nur einbilden«, sagte sie mit ihrer heiseren Stimme, die jetzt kaum mehr als ein Flüstern war. »Ach, lieber Gott, bitte, laß mich mir das nicht e...«
Hinter ihr begann ein lauteres Rascheln - aber nicht von der Brise, nicht diesmal. Selbst wenn es ihr gelungen wäre, sich das einzureden (auch nur für ein paar bescheuerte Sekunden), was wäre dann mit dem Knacken abbrechender Äste gewesen? Und danach das knarrende und splitternde Geräusch, mit dem etwas umstürzte - vermutlich ein kleiner Baum, der im Weg gewesen war. Ihm im Weg. Es hatte zugelassen, daß sie der Rettung so nahe kam, hatte ihr gestattet, bis auf Hörweite an den Pfad heranzukommen, den sie so sorglos und leichtsinnig verlassen hatte. Es hatte ihre schmerzhafte Fortbewegung beobachtet, vielleicht belustigt, vielleicht mit einer Art göttlichem Mitgefühl, das zu schrecklich war, als daß man überhaupt daran denken durfte. Nun wollte es nicht länger beobachten, nicht länger warten.
Langsam, voller Entsetzen, zugleich aber mit einem seltsamen Gefühl ruhiger Unvermeidlichkeit, drehte Trisha sich um, um dem Gott der Verirrten ins Auge zu blicken.
NEUNTER DURCHGANG, ZWEITE HÄLFTE: ENTSCHEIDUNG
Es kam unter den Bäumen links der Straße hervor, und Trishas erster Gedanke war: Ist das alles? Soll das am
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