Das Mädchen.
Rucksack wieder abnehmen, ihn aufmachen und den Walkman darin verstauen? Das erschien ihr so schwierig - etwa so schwierig, wie einen Berg zu versetzen. Andererseits erschien es ihr falsch, ihn einfach wegzuwerfen, es wäre, als gestehe sie damit ein, daß sie aufgegeben habe.
Trisha blieb drei Minuten lang oder noch länger unbeweglich stehen und blickte mit ihren fieberglänzenden Augen auf den kleinen Radiorecorder hinunter. Wegwerfen oder behalten? Wegwerfen oder behalten? Die Entscheidung liegt bei dir, Patricia, willst du den Satz Kochtöpfe für wasserloses Garen behalten oder weiterspielen, um das Auto, den Nerzmantel und die Reise nach Rio zu gewinnen?
Ihr fiel ein, was sie tun würde, wenn sie das Mac PowerBook ihres Bruders Pete wäre: Sie würde den ganzen Bildschirm mit Fehlermeldungen und kleinen Bombensymbolen füllen. Bei dieser Vorstellung mußte sie unwillkürlich lachen. Ihr Lachen ging fast augenblicklich in einen Hustenanfall über. Er war der bisher bei weitem heftigste Anfall, und er ließ sie sich zusammenkrümmen. Schon bald bellte sie wie ein Hund, während sie ihre Hände unmittelbar über den Knien flach auf die Oberschenkel gestützt hatte und ihr herabhängendes Haar wie ein schmutzstarrender Vorhang vor ihrem Gesicht hin und her schwankte. Sie schaffte es irgendwie, sich auf den Beinen zu halten, sie weigerte sich nachzugeben und zusammenzuklappen, und während der Husten nachließ, wurde ihr klar, daß sie den Walkman am Bund ihrer Jeans befestigen konnte. Dafür war der Clip hinten auf dem Gehäuse da, nicht wahr? Sicher, klar doch. Was für ein El Dopo sie war.
Sie öffnete ihren Mund, um Elementar, mein lieber Watson zu sagen - Pepsi und sie sagten das manchmal zueinander -, und als sie das tat, schlabberte etwas Feuchtes und Warmes über ihre Unterlippe. Sie fuhr darüber, sah hellrotes Blut in ihrer Handfläche und starrte es mit vor Entsetzen geweiteten Augen an.
Ich muß mir beim Husten auf etwas im Mund gebissen haben, dachte sie und wußte es sofort besser. Das hier kam tiefer aus ihrem Inneren. Der Gedanke erschreckte sie, und ihre Angst ließ sie die Welt deutlicher wahrnehmen. Sie merkte, daß sie wieder denken konnte. Sie räusperte sich (behutsam; alles andere hätte zu weh getan) und spuckte aus. Hellrot. Eine schöne Bescherung, aber dagegen konnte sie jetzt nichts machen, und sie war wenigstens soweit klar im Kopf, daß ihr einfiel, wie sie feststellen konnte, in welche Richtung sie auf der Straße weitergehen mußte. Die Sonne war rechts von ihr untergegangen. Jetzt stellte Trisha sich so hin, daß die aufgehende Sonne links von ihr durch die Bäume blinzelte, und sie sah sofort, daß diese Richtung stimmte. Sie verstand gar nicht, wie sie überhaupt im Zweifel gewesen sein konnte.
Langsam, vorsichtig, wie jemand, der über frisch gebohnertes Parkett geht, setzte Trisha sich wieder in Bewegung. Das ist es wahrscheinlich, dachte sie. Heute ist vermutlich meine letzte Chance, vielleicht ist sogar dieser Vormittag meine letzte Chance. Vielleicht bin ich heute nachmittag zu krank und schwach, um gehen zu können, und wenn ich nach einer weiteren Nacht hier draußen noch einmal auf die Beine käme, war's ein blauäugiges Wunder. Ein blauäugiges Wunder. War das eine Redensart ihrer Mutter oder ihres Vaters?
»Mir scheißegal!« krächzte Trisha. »Wenn ich hier rauskomme, erfinde ich selbst ein paar Redensarten.« Fünfzig oder sechzig Schritte nördlich der Stelle, an der sie jene endlose Sonntagnacht und den Montag morgen verbracht hatte, merkte Trisha, daß sie ihren Walkman noch immer in der rechten Hand hielt. Sie blieb stehen und machte sich mit umständlicher Sorgfalt an die mühsame Aufgabe, ihn am Bund ihrer Jeans zu befestigen. Ihre Jeans schlotterten ihr jetzt wirklich am Leib, und sie bemerkte, wie spitz ihre Hüftknochen hervortraten. Wenn ich noch ein paar Pfund abnehme, kann ich die neueste Pariser Mode vorführen, dachte sie. Als sie gerade überlegte, was sie mit dem Kopfhörerkabel machen sollte, erschütterte das Rattern entfernter Explosionen jäh die stille Morgenluft - als würde ein kleiner Rest Limonade durch einen riesigen Strohhalm aufgesaugt.
Trisha schrie Trisha schrie, und sie war nicht die einzige, die erschrak; ein paar Krähen krächzten, und ein Fasan flatterte mit aufgeplustertem Flügelschwirren empört aus dem Unterholz.
Trisha stand mit weit aufgerissenen Augen da, während der vergessene Kopfhörer am Ende seines Kabels neben
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