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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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setzte sie sich auf den Rand des ausgehöhlten Baumstamms und sann über das, was sie eben erlebt hatte. Sie holte den Taler aus ihrer geknöpften Blusentasche und legte ihn sich in die flache Hand. Noch nie hatte sie ein so großes Geldstück für sich allein besessen. Sie hätte froh darüber sein können, doch es kam ihr vor, als hinterließe die glänzende Münze im Handteller ein brennendes Mal. Schnell steckte sie den Taler zurück.
    Sie dachte nach. Es war hohe Erntezeit, die Bauern betätigten sich in lebhaftem Handel, mussten viel unterwegs sein und nutzten oft den Feldweg an den Hollerwiesen. Also würde er wiederkommen, der Lohbauer – dessen war Fine sich sicher. Und sie hatte Angst. Nie wieder wollte sie ihm begegnen, jedenfalls nicht, wenn sie dabei allein mit ihm wäre.
    Den restlichen Nachmittag betrachtete sie die Wolken und überlegte, was zu tun war. Und am Abend, nachdem sie die Gänse in den Pferch zurückgetrieben hatte, stand ihr Entschluss fest.
    Schon eine Stunde später hastete sie die Hardtstraße hinauf zum Hof des Oberlandbauern. Als sie durch das große Tor auf die Tenne trat, kam ihr Bärbel entgegen.
    »So eilig, Fine? Dann muss es ja wohl etwas Wichtiges sein. Gewiss willst du zum Bauern.«
    »So ist es, Bärbel. Wo kann ich ihn finden?«
    »Es ist schon spät«, erwiderte Bärbel streng. »Der Bauer hat sich zurückgezogen in sein Kontor und erledigt Schreibarbeit. Er schärft uns immer ein, dass er dabei nicht gestört sein will.«
    »Aber ich bin doch sein Mündel«, beharrte Fine. »Und ich würde sicher nicht noch um diese Uhrzeit kommen, wenn es nicht dringlich wäre.«
    »Dass er dein Vormund ist, weiß ich.« Überheblich zog Bärbel die Stirn hoch und fuhr sich mit einer Hand über ihren Knoten von feinem, schwarzem Haar. »Wenn es wirklich so wichtig ist, sage mir halt, worum es geht. Dann will ich den Bauern fragen, ob er für dich seine Arbeit unterbricht. Und wenn nicht, musst du eben morgen wiederkommen.«
    Fine blickte Bärbel fassungslos an. Noch bis zum Frühjahr waren die beiden gemeinsam zur Schule gegangen. Seite an Seite auf einer Klassenbank hatten sie alle sechs Jahre verbracht. Und wenn Fine sich nicht für den Gänsedienst entschieden hätte, dann wäre die Stelle als Jungmagd beim Oberlandbauern gar nicht für Bärbel frei gewesen. Doch jetzt das! So anmaßend hatte Fine ihre alte Schulkameradin noch nie erlebt. Was war nur in dieses Mädchen gefahren, das sonst stets als freundlich und zuvorkommend gegolten hatte?
    Am liebsten hätte Fine ihrem Ärger Luft gemacht. Doch damit hätte sie sich noch schlimmer benommen als Bärbel, und sie wollte nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Also beherrschte sie sich, senkte die Stimme und sagte freundlich, aber in aller Deutlichkeit: »Als Vormund vertritt der Oberlandbauer meine toten Eltern. Und so wie ein Kind jederzeit zu Vater und Mutter gehen darf, wenn es Rat braucht, so sollte es auch bei einem Vormund sein. Du führst mich jetzt zum Bauern, Bärbel, oder ich werde ihm morgen sagen, dass du mir mein gesetzliches Recht verwehrst.«
    Offenbar trafen Fines Wort die Jungmagd, denn sie erschrak. Sie sagte nur: »Dann komm!« und ging voraus zum Kontor, das neben der Wohnstube lag.
    Bärbel klopfte an und entschuldigte sich sogleich für die Störung, dennoch war der Bauer ungehalten. Doch als er sah, welcher Ernst in Fines Miene lag, bat er sie herein und schloss die Tür.
    Sie zog die Münze aus der Tasche und erzählte von dem Ereignis auf den Hollerwiesen und auch, wie der Lohbauer ihr das Geld unbedingt geben wollte.
    Der Oberlandbauer nickte ruhig. »Du hast recht daran getan, das Geld zu nehmen. Der Lohbauer ist ein guter Freund. Er hat ihn dir mit besten Absichten gegeben, darauf kannst du dich verlassen.«
    »Aber so viel!«, entgegnete Fine. »Die Mutter und auch die Schwarze Marjann haben mich gelehrt, niemals Geld von einem Fremden anzunehmen. Nun habe ich es trotzdem getan, wenn auch gegen meinen eigentlichen Willen. Und dann gleich einen ganzen Taler.«
    »Es ehrt dich, wenn du so zurückhaltend bist«, der Oberlandbauer beugte sich vor und sprach freundlich auf sie ein. »Sicherlich ist ein Taler viel. Aber wie du selbst sagst: Der Lohbauer kannte deine Eltern gut und hielt große Stücke auf sie. Also ist er kein ganz Fremder, auch wenn du ihn bisher nicht persönlich kanntest. Und er weiß, dass du mein Mündel bist. Darum hat er es mit dem Taler sicher gut gemeint und wollte dich bestimmt nicht in

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