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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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dicken Deckbett von Gänsefedern.
    Doch eines Nachts um die Mitte des Monats Oktober schlief sie schlecht, obwohl ihr nicht kalt war. Ihr kam es vor, als hörte sie etwas klappern, so wie wenn ein Fenster gegen ein Rahmenholz schlägt. Sie öffnete die Augen und starrte ins Dunkel, das Geräusch hörte auf. Eigentlich hätte sie sich wieder niederlegen und weiterschlafen können, doch ein Gefühl, das sie selbst nicht recht fassen konnte, trieb sie aus dem Bett. Sie öffnete die Tür zum Garten. Der Stall und auch Marjanns Haus lagen in aller Stille, nichts deutete darauf hin, dass hier etwas in Unordnung sein könnte. Vom Dreiviertelmond drang nur wenig Licht in die windstille Nacht, doch es reichte aus, um sich im Garten zurechtzufinden. Fine schritt die Wege zwischen den Beeten entlang zum Haus und schaute nach Türen und Fensterläden. Alles war gut verschlossen, nichts regte sich. Erleichtert legte Fine sich wieder zu Bett und schlief noch einige Stunden, nun um einiges ruhiger als zu Beginn der Nacht.

Das Gewitter
    Es kamen die letzten Tage des Gänsedienstes. Der Herbst hatte schon an Kraft gewonnen und fegte mit seinen Stürmen die Blätter von den Bäumen. Doch dann, es ging schon auf Allerheiligen zu, wollte das Wetter es sich noch einmal anders überlegen. Ein warmer Wind zog heran, flaute nach zwei Tagen ab und hinterließ eine milde Luft, die sich im Tal staute und durch eine unerwartet kräftige Sonne noch an Temperatur gewann.
    Fine weidete ihre Gänse auf einem kahlen Kleefeld nicht weit vom Bachlauf entfernt. Die Tiere lebten in der Wärme auf und fraßen sich satt an dem Grün, das trotz sorgfältiger Mahd stehen geblieben war. Von Zeit zu Zeit, wenn ihre Schnäbel vom vielen Pflücken und Rupfen müde geworden waren, reckten sie ihre Hälse. Dabei schnatterten sie so laut, als wollten sie sich bei ihrem Schöpfer bedanken für das Festmahl aus Kleestielen.
    Schon am späten Vormittag wurde es so warm, dass Fine ihre leichte Wolljacke ablegen und ihre bloßen Arme von der Sonne umschmeicheln lassen konnte. Als es vom Kirchturm zwölf Uhr schlug, kam Ulla am Feld vorbei. Sie hatte für den Oberlandbauern einige Besorgungen im Dorf zu erledigen, doch es blieb ihr Zeit für einen kleinen Schwatz.
    »Ich traue diesem Wetter nicht, Fine.« Sie schaute in den Himmel. »Eine solche Wärme kurz vor Allerheiligen. Mich würde nicht wundern, wenn es bald umschlagen sollte.«
    Fine musste ihr recht geben. In diesem Sommer, beim täglichen Verweilen auf dem Hüteplatz, hatte sie gelernt, noch mehr als früher auf die Zeichen der Natur zu achten. »Wenn ich merke, dass Wolken aufziehen, bringe ich die Gänse auf die Hollerwiesen zurück«, versprach sie.
    »So machst du das.« Ulla nickte. »Bärbel hat übrigens erzählt, dass du vor einigen Wochen des Abends beim Oberlandbauern warst.«
    »Ja«, erwiderte Fine arglos. »Aber ich hatte nicht mehr die Zeit, zu dir in die Küche zu kommen. Es war schon spät und Marjann wartete auf mich.« Sie überlegte, was sie Ulla von den Ereignissen erzählen sollte. Ulla selbst hatte Rede und Antwort gestanden, als Fine sich nach Lisbeths Tod erkundigt hatte. Also wäre es nur billig, wenn Fine jetzt vom Taler des Lohbauern berichten würde. Sie zweifelte nicht an Ullas Verschwiegenheit. Dennoch wollte sie lieber für sich behalten, was geschehen war.
    Ulla musste ohnehin weiter, sie sagten einander Adieu, und Fine blieb allein mit ihrer Gänseschar auf dem abgemähten Kleefeld. Immer wieder betrachtete sie den Horizont über dem Wald. Ulla hatte wohl recht mit ihrer Vermutung, dass das Wetter bald umschlagen mochte. Doch noch war es windstill, und am Himmel zeigten sich nicht mehr als dünne Schleier, die das klare Blau kaum verhüllten.
    So verbrachte Fine die folgenden Stunden und musste hin und wieder gegen eine Müdigkeit ankämpfen, die ihre Glieder befiel. In der letzten Nacht hatte sie längst nicht so gut geschlafen wie üblich.
    Während der Nachmittag sich neigte, konnte Fine es trotz allen Bemühens nicht verhindern: Das Kinn fiel ihr auf die Brust, sie nickte kurz ein und wachte erst wieder auf, als ein gewaltiges Donnern die Ruhe auf den Wiesen jäh durchbrach. Fine erschrak. Wie lange sie geschlafen hatte, wusste sie nicht. Vermutlich war es nur kurz gewesen, denn die Gänse trieben sich wohlbehalten auf dem Feld umher.
    Und dennoch: In Fine saß ein tiefer Schreck. Weniger wegen des Donners, der noch in weiter Ferne schien, sondern mehr über sich selbst:

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