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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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Geräusch ihr Dösen unterbrach. Sie riss die Augen auf: Das Posthorn!
    »Ich muss kurz austreten«, sagte sie der Großmagd und stand auf.
    Die ältliche Frau nickte nur, und Fine verließ das Gebäude. Doch statt zum Abort im Hof eilte sie zur Postkutsche, die einige Häuser weiter stand. Den Postillon kannte sie seit Langem, er lebte mit Frau und Kindern in der Nähe von Mechernich, wohin er nach seinen mehrtägigen Dienstfahrten stets zurückkehrte. Fine sprach kurz mit ihm, dann ging sie wieder hinein und setzte sich zwischen die Wartenden. Nichts ließ sie sich anmerken. Sie gab sich ruhig und traurig, genauso wie noch wenige Minuten zuvor. Doch ihre Gedanken drehten sich in wildem Kreis.
    Endlich war sie an der Reihe. Mit einem Gefühl, als schlüge ihr das Herz bis in die Haarspitzen, betrat sie den Vernehmungsraum. Denn einerseits galt es, ihren Bruder zu verteidigen. Andererseits aber wollte sie das, was sie eben vom Postillon erfahren hatte, noch nicht preisgeben. Dafür schien es ihr zu früh.
    Polizeihauptmann Schmitz ließ sie auf einem Stuhl am Schreibtisch Platz nehmen und setzte sich ihr gegenüber. Er war ein Mann um die sechzig Jahre, hager und mit weißen Koteletten, die in markanter Weise sein Gesicht prägten. Aus wachen, dunklen Augen sah er Fine an, und sie zweifelte nicht daran, wie erfahren er in seinem Beruf sein musste. Doch er wirkte durchaus väterlich. Sicher würde er korrekt vorgehen. Seitlich am Schreibtisch saß Gerd. Er nickte Fine aufmunternd zu und machte sich daran mitzuschreiben. Diesmal aber nicht in seine Kladde, sondern auf Bögen von weißem Papier.
    Schon als man sie zu ihrer Person befragte, trat Fines Aufregung zutage. Einige Male verhaspelte sie sich und geriet ins Stocken. Doch den Hauptmann schien das nicht zu wundern, vermutlich ging es anderen Zeugen ähnlich. Besonnen stellte er seine Fragen zu den Ereignissen am Vortag. Fine schilderte alles, so gut und genau sie konnte. Als sie damit abgeschlossen hatte, fasste sie ihren ganzen Mut zusammen.
    »Mein Bruder ist gewiss nicht der Täter«, brachte sie klar hervor. »Denn er ist nicht weggelaufen, sondern bei Ulla geblieben. Und es war auch kein Blut an seinem Messer.«
    Der Wachleiter schien nicht verärgert über Fines ungefragte Äußerungen, sondern nickte verständig. »Das sind kluge Überlegungen, Fräulein Aldenhoven. Aber es könnte ja sein, dass er das Messer rasch im Bach abgewaschen hat. Und nicht fliehen ist manchmal die beste Tarnung für einen Täter. Zumal das Opfer laut geschrien hat. Da musste der Mörder damit rechnen, dass Menschen herbeigelaufen kommen.«
    Dem konnte Fine wenig entgegensetzen, dennoch wagte sie sich erneut vor: »Aber es heißt doch, dass es in allen drei Fällen vermutlich derselbe Täter war. Wie kann es da mein Bruder sein? Bei Lisbeths Tod war er noch in den Windeln und bei Bärbel erst elf Jahre alt.«
    Nun lehnte Hauptmann Schmitz sich in seinem Bürostuhl zurück und faltete die Hände über seinem schmalen Leib. Wie ein gütiger Lehrer sah er Fine an und meinte: »Ob es in allen drei Fällen derselbe Täter war, können wir nicht sicher sagen. Das mag so sein oder auch nicht. Und noch eine dritte Möglichkeit gibt es: Vielleicht war es immer derselbe Drahtzieher, aber er hat die Taten nicht allein ausgeübt. Vielleicht hatte er Helfershelfer.«
    Helfershelfer! Fine erschrak. Diese Idee war ihr nie gekommen. Und sie merkte wohl, wie genau er sie in dem Moment beobachtete. Schweigend sah sie zu Boden und hoffte, dass die Vernehmung bald zu Ende sein würde. Doch was nun geschah, hatte sie nicht erwartet:
    Hauptmann Schmitz beugte sich weit über den Schreibtisch zu ihr und sah sie an. »Da ist noch etwas, Fräulein Aldenhoven. Uns liegt die Aussage eines Peter Sevenich vor. Den kennen Sie doch, oder?«
    Wie ein Blitz durchfuhr es Fine. Sie ahnte, was nun kam. »Natürlich«, sagte sie rasch. »Das ist der Pitterwirt vom
Schlösschen

    »Richtig. Dem Gasthof in Reetz. Und da fand neulich eine Hochzeit statt.« Der Wachleiter sprach nicht weiter, sondern forderte mit einer Handbewegung seinen jungen Untergebenen dazu auf fortzufahren.
    Gerd räusperte sich und sprach mit tieferer Stimme als sonst: »Es ist so, Fine. Der Pitterwirt hat ausgesagt, bei unserer Hochzeit habest du mit einem fremden Schimmelreiter geredet. Am Straßenrand soll er dich angesprochen haben, aber ohne seinen Namen zu nennen.«
    »Das war nur ganz kurz«, brachte sie eindringlich hervor und schwieg

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