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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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helllichten Tag erlaube ich dir, allein zu gehen, und auch das nur innerhalb des Dorfes. Außerhalb und in den dunklen Stunden wirst du dir eine Begleitung suchen. Dies gilt auch für die anderen jungen Mägde auf meinem Hof.«
    Fine nickte gehorsam und widersprach selbst dann nicht, als er hinzufügte: »Nun holen wir deine Sachen.«
    Gleich darauf gingen sie zu Marjanns Haus. Die alte Frau hatte inzwischen erfahren, was sich Schreckliches am Bach zugetragen hatte. Sie drückte Fine an sich, und beide weinten heftig. Doch auch Marjann hieß es gut, wie der Oberlandbauer die jungen Frauen schützen wollte.
    Fine packte ein Bündel mit ihrer Kleidung und einigen Utensilien. Als sie das Leseheft mit der Liebesgeschichte einsteckte, dachte sie kurz an den unbekannten Reitersmann, der ihr Herz so seltsam berührt hatte. Nein, es war ausgeschlossen, was der Pitterwirt angedeutet hatte. Unmöglich konnte dieser Mann mit seinen weichen Augen verantwortlich sein für die schrecklichen Verbrechen in Reetz. Fine war voller Verzweiflung über Ullas Tod. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass wieder strahlendere Tage kommen würden.
    Zum Abschied überreichte Marjann ihr den Schlüssel zum Haus. »Du bist jederzeit willkommen. Es bleibt dein Heim, auch wenn du nicht mehr hier wohnen kannst.«
    »Danke, Tante« Noch einmal umarmte Fine ihre einstige Quartiersmutter.
    Auf dem Rückweg zum Hof konnte Fine nicht aufhören zu weinen. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf.
    In dieser Nacht ließ die Bäuerin sie in der Krankenstube schlafen. Solange Ulla nicht mit den Aussegnungen der Heiligen Kirche bedacht war, wagte niemand, ihr Bett in der Gesindekammer an eine andere Magd zu vergeben.
    Am nächsten Morgen fuhren sie nach Blankenheim. Der Oberlandbauer, Axel, die Großmagd und Fine sollten als Zeugen aussagen. Und weil Gerd ohnehin zur Dienststelle musste, nahmen sie ihn mit. Axel und der Bauer saßen auf dem Kutschbock, die übrigen drei nahmen im Fond Platz.
    »Als Bärbel starb, brauchten wir nicht auf die Wache«, meinte Fine zu Gerd. »Da hast du uns hier im Dorf befragt und alles aufgeschrieben.«
    »Diesmal aber nicht.« Gerds Miene war steinern, wenngleich seine Stimme verbindlich klang. »Die Sache wiegt so schwer, da muss der Wachleiter selbst die Zeugen vernehmen.« Einige Augenblicke schwieg er und meinte dann: »Übrigens haben wir gestern Abend den Lohbauern in Gewahrsam genommen.«
    »Was?!« Die Großmagd schlug ihre flache Hand vor den Mund.
    Auch der Oberlandbauer auf dem Kutschbock war höchst erstaunt, ungläubig drehte er sich zu Gerd um. Fine dagegen beherrschte ihre Miene und ließ sich nicht anmerken, wie die Neuigkeit sie erleichterte. Und auch Alex zeigte keine Regung, er hielt die Zügel des braven Gauls sicher in seinen Händen.
    »Ich darf euch nichts Näheres dazu berichten«, fuhr Gerd fort. »Ihr sollt nur vom Gewahrsam des Lohbauern wissen, denn das spricht sich ohnehin herum.«
    Die anderen nickten. Während der weiteren Fahrt sprach man kaum noch, die Blicke von Fine und Gerd begegneten sich, und es kam ihr so vor, als drückte er Zuversicht aus.
    Heinrich Schmitz hieß der Leiter der Blankenheimer Gendarmerie. Er stand im Rang eines Hauptmanns und führte die Wache mit Umsicht und Strenge. Aus Köln hatte man ihn hierher versetzt. Mit niemandem in und um Blankenheim war er verwandt.
    Er beschloss, die vier Zeugen vom Oberlandhof einzeln zu vernehmen, in einer von ihm festgesetzten Reihenfolge. Obwohl Fine nach Basti als Erste bei der toten Ulla gewesen war, wollte der Polizeihauptmann mit ihr erst an zweiter Stelle sprechen. Zunächst rief er den Oberlandbauern zur Aussage.
    Zwischen Axel und der Großmagd saß Fine auf einer Bank vor dem Vernehmungsraum. Es war nicht einmal acht Uhr am Morgen, doch schon bahnte sich die Hitze des Frühsommers ihren Weg in das Wachgebäude. Fine schloss die Augen und lehnte ihren Kopf an die weiß verputzte Wand. Sie lauschte dem Summen der Fliegen und den gleichmäßigen Atemzügen der Menschen links und rechts neben ihr. Die Trauer um Ulla lähmte sie, dennoch arbeiteten ihre Gedanken heftig. Basti war also nicht bis Amerika gekommen. Seit Wochen schon hielt er sich wieder in Reetz auf, nur ein paar Tausend Fuß von ihr entfernt im Wald. Trotz aller Geheimhaltung war er doch aufgeflogen – und schlimmer, als es je denkbar gewesen wäre: Nun stand er unter Mordverdacht.
    Hadernd mit dieser Überlegung mochte Fine wohl einige Minuten gesessen haben, als ein

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