Das Maedchengrab
inne und senkte weiter die Stimme. »Aber vielleicht finde ich einen Beweis. Und du kannst mir helfen.«
»Wie das denn nur, wo ich doch noch hier bleiben muss?«, entgegnete Basti hilflos.
»Sag mir eins«, Fine suchte seinen Blick. »Kann man eine Briefmarke samt Stempel von einem Briefumschlag auf einen anderen übertragen? Ohne dass es auffällt?«
Basti erschrak. Doch bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Keine Angst, ich habe nichts Ungesetzliches vor. Ich frage dich nur, ob so etwas möglich ist?«
Doch Basti hatte schon verstanden. Aufgeregt meinte er: »Das ist also deine Idee? Ich sollte in Amerika sein, aber bin es nicht. Und so könnte es bei Hannes auch sein. Das denkst du doch, oder?«
Fine nickte. »Nun sag schon«, drängte sie ihn. »Geht das mit den Marken und den Stempeln?«
»Sicher geht das.« Basti sprach nun noch leiser, dafür aber umso deutlicher. Zwischen zwei Gitterstäben rückte Fine ihr Ohr nah an seinen Mund.
»Das habe ich einmal aus Jux mit Spielkameraden getan«, fuhr Basti fort. »Es ist sogar recht einfach. Man braucht dazu nichts als eine frische Kartoffel.«
»Eine Kartoffel?!«
»Ja. Man schneidet sie durch und legt die gelbe Fläche auf den Stempel. Die Farbe zieht dort hinein. Dann löst man mit Wasserdampf die Marke und klebt sie mit Leim auf den anderen Umschlag. Und danach kann man die Stempelfarbe von der Kartoffel darauf drucken. Das ist der schwierigste Teil. Denn man muss die Kartoffel so ausrichten, dass der Stempel wird wie vorher.«
»Und das erkennt keiner?«, fragte Fine ungläubig.
»Nicht, wenn man geschickt vorgeht. Aber wer genau hinsieht, bemerkt schon, dass die Farbe von dem neuen Stempel verwischter ist. Man kann die Ziffern und Buchstaben nicht mehr so gut lesen.«
»Gut!«, sie nickte. »Ich danke dir. Dann werde ich nun etwas nachforschen.«
»Fine!«, flüsterte Basti entsetzt. »Ich kann mir schon denken, wonach du schauen willst.«
Sie erkannte die Angst in seinen Augen und entgegnete voller Zuversicht: »Keine Sorge. Es ist nicht gefährlich, und ich passe gut auf mich auf.«
Zwar konnten ihre Worte Basti kaum beruhigen, aber er widersprach nicht. Sie verabschiedeten sich unter Tränen, und Fine versprach, am übernächsten Tag wiederzukommen, denn eher war es ihr nicht gestattet. Bevor sie durch die Tür trat, sah sie sich noch einmal um. Fast blieb ihr das Herz stehen beim Anblick ihres Bruders, der ihr traurig und dabei noch gequält von Angst zuwinkte.
»Es wird sich alles klären!«, rief sie ihm noch einmal zu und ging zurück in den Flur vor dem Vernehmungsraum.
Einige Minuten musste sie noch warten, bis auch Alex als letzter der vier Zeugen vom Oberlandhof seine Aussage beendet hatte. Dann bestiegen sie die Kutsche und fuhren nach Reetz zurück. Dabei sahen sie sich kaum an. Niemand sprach etwas, lediglich Alex gab in gewohnt sicherer Manier dem Pferd die Befehle.
Sobald sie aber das Dorf erreichten, stand Fine von ihrer Bank auf und klopfte dem Oberlandbauern, der auf dem Kutschbock saß, gegen die Schulter. Mit Erstaunen drehte er sich um.
»Bitte, Herr Vormund«, brachte sie höflich vor. »Lasst mich vor Marjanns Haus aussteigen. Dort sind noch einige Dinge von mir, die wir gestern in der Eile nicht mitnehmen konnten. Ich hole sie und komme gleich nach.«
Der Oberlandbauer zog die Stirn hoch, dann lächelte er milde. »Wenn du sie rasch zusammensuchst, dann können wir doch auf dich warten.«
»Das ist sehr freundlich von Euch«, entgegnete Fine sogleich, »aber nicht nötig. Bei all dem Sitzen heute Morgen tut es mir gut, ein paar Schritte zu laufen. Und es ist ja heller Tag. In einer Viertelstunde bin ich auf dem Hof zurück.«
Der Oberlandbauer ließ sie aussteigen. Sie sah noch der Kutsche nach, dann näherte sie sich Marjanns Haus. Ihr Herz bebte. Dabei hatte sie bis zum Vortag noch hier gewohnt, und es sollte doch nicht ungewöhnlich scheinen, wenn sie zurückkehrte, um ein paar Dinge zu holen. Dass Marjann heute auf dem Kyllhof bei der Ernte half, wusste Fine. Trotzdem klopfte sie mehrmals an. Erst als sich im Haus nichts rührte, schloss sie auf und trat ein.
Drinnen war alles wie immer. In der Küche lag der Geruch vom Herdfeuer vermischt mit dem Duft der trocknenden Kräuter. Von der Wanduhr kam das gewohnte Ticken, es ging auf den Mittag zu. Einen Moment lang schien es Fine, als wollten die beiden hoch erhobenen Zeiger sie warnen vor dem, was sie vorhatte. Aber sie hatte keine Wahl. Was zu tun war,
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