Das Magdalena-Evangelium: Roman
abgefangen.
Er öffnete sie für sie und schlüpfte mit ihr hinein. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er mit ernster Sorge in der Stimme.
»Es geht mir gut.« Auf der gesamten Heimfahrt hatte Tammy sich eine Rede für ihn zurechtgelegt, doch ein Blick in die großen okzitanischen Augen reichte aus, und sie schmolz dahin. Sie war so erleichtert, hier zu sein, in der Sicherheit des Hauses, mit ihm, dass sie sich nun einfach an seinen starken Leib warf und weinte.
Roland war wie benommen. Er hatte diese Frau noch nie so verwundbar gesehen. »Tamara, was ist passiert? Hat er dir wehgetan? Du musst es mir erzählen.«
Tammy versuchte, sich wieder zu beruhigen. Sie hörte auf zu weinen und schaute zu Roland hinauf. »Nein, er hat mir nicht wehgetan. Aber …«
»Aber was? Was ist passiert?«
Sie griff nach oben und berührte sein Gesicht, das kantige, männliche Gesicht, das sie allmählich zu lieben lernte.
»Roland«, flüsterte sie. »Roland … Du hattest recht, was die Mörder deines Vaters betrifft, und ich glaube, dass wir es jetzt beweisen können.«
I sa war das Kind der Prophezeiung; das war etwas, das jeder wusste. Und die Prophezeiung brachte ein Schicksal mit sich, das erfüllt werden musste. Isa hat das getan; nicht für seinen eigenen Ruhm, sondern damit die Kinder Israels seine Rolle als Messias leichter verstehen würden. Je genauer Isa die Prophezeiung ihrer wahren Natur gemäß erfüllte, desto stärker würden die Menschen sein, wenn er nicht mehr unter ihnen war.
Doch trotz alledem haben wir nicht damit gerechnet, dass es so kam, wie es gekommen ist.
Isa kam auf dem Rücken eines Esels nach Jerusalem und erfüllte damit die Worte, die der Prophet Zacharias über den Gesalbten gesagt hatte. Wir folgten ihm mit Palmzweigen und sangen Hosianna. Eine große Menschenmenge schloss sich uns an, als wir Jerusalem betraten, und ein Gefühl von Freude und Hoffnung lag in der Luft. Viele folgten uns aus Bethanien, und wir wurden von Simons Landsleuten empfangen, den Zeloten. Selbst Vertreter der in Abgeschiedenheit lebenden Essener hatten ihre Behausungen in der Wüste verlassen, um uns an diesem triumphalen Tag zu begleiten.
Die Kinder Israels jubelten, nun, da ihr Auserwählter gekommen war, um sie vom Joch der Unterdrückung, von Armut und Elend zu befreien. Dieser Sohn der Prophezeiung war zu einem Mann und einem Messias geworden. Wir waren stark in unseren Herzen und an Zahl.
Das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena
Der Buch der Dunklen Zeit
Kapitel dreizehn
Château des Pommes Bleues
25. Juni 2005
Ein Diner mit Gästen war stets eine üppige Angelegenheit im Château, und der heutige Abend bildete von dieser Regel keine Ausnahme. Berenger Sinclair hatte weder sein Küchenpersonal noch seinen Weinkeller geschont, um ihnen ein ausschweifendes, mittelalterlich anmutendes Languedoc-Festmahl vorzusetzen. Das Tischgespräch war gleichermaßen robust. Tammy hatte sich mit einer geradezu Oscar-reifen Leistung wieder zusammengerissen. Mit ihrem typisch kecken Wesen schien sie wieder ganz sie selbst zu sein.
Maureen genoss das Wortgefecht zwischen Sinclair, Tammy und Peter; sie wiegte sich in der Sicherheit, dass ihr Cousin sich in jeder theologischen Debatte behaupten konnte, wie sie aus eigener Erfahrung sehr wohl wusste.
Sinclair setzte zu einer Rede an. »Es ist historisch verbürgt, dass das Neue Testament auf dem Konzil von Nicäa in seine heutige Form gebracht wurde. Kaiser Konstantin und seinem Konzil standen viele Evangelien zur Verfügung, doch sie wählten nur vier aus – und nahmen weitreichende Änderungen daran vor. Es ist ein Akt der Zensur gewesen, der die Geschichte verändert hat.«
»Man fragt sich zwangsläufig, was er alles vor uns verbergen wollte«, schloss sich Tammy an.
Peter war von diesem Argument, das er schon unzählige Male gehört hatte, nicht sonderlich beeindruckt. Er verblüffte seine Möchtegern-Gegner mit einem unerwarteten Schachzug. »Sie können noch weiter gehen. Bedenken Sie, dass wir ja nichteinmal sicher sind, wer die Verfasser dieser vier Evangelien sind. Das Einzige, was wir mit einiger Sicherheit wissen, ist, dass sie nicht von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes stammen. Sie sind den vier vermutlich irgendwann im Laufe des zweiten Jahrhunderts zugeschrieben worden, und es gibt Leute, die das für einen argen Irrtum halten. Und noch etwas: Trotz des umfangreichen Quellenmaterials im Vatikan können wir nicht mit Sicherheit sagen, in
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