Das Magdalena-Evangelium: Roman
beschützen.«
»Weil er glaubt, dass ich sein Goldmädel bin?«
»Ja, aber auch, weil er dich wirklich gern hat. Ich sehe es ihm an. Aber Berry ist sich auch seiner Verantwortung bewusst. Wie deinen Namensvetter, das Lamm, hat er dich zur Schlachtbank geführt, indem er dich mit diesem verdammten Kleid auf den Ball geschickt hat. Er war so aufgeregt, dass er vorher einfach nicht darüber nachgedacht hat.«
Maureen nahm noch einen Schluck von dem schweren Rotwein. »Was soll ich denn jetzt deiner Meinung nach tun? Das hier ist Neuland für mich, Tammy. Soll ich abreisen? Vergessen, was passiert ist, und wieder so leben wie vorher?« Sie stieß ein leises, ironisches Lachen aus. »Klar, kein Problem.«
Tammy schaute sie mitleidig an. »Vielleicht solltest du es wirklich tun, allein deswegen, damit du in Sicherheit bist. Berry kann Peter und dich morgen aus dem Haus schmuggeln. Es würde ihn umbringen, aber wenn ich ihn darum bitte, macht er es.«
»Und was dann? Soll ich heimfahren nach L.A. , um für den Rest meines Lebens von Albträumen und Visionen verfolgt zu werden? Soll meine Arbeit darunter leiden, weil ich Geschichte nicht mehr behandeln kann wie früher, es aber nicht wage, gründlichere Ermittlungen anzustellen, weil ja irgendein gedungener Mörder mir etwas antun könnte? Und wer sind diese gefährlichen Leute überhaupt? Warum ist es ihnen so wichtig, die Erfüllung der Prophezeiung zu verhindern, dass sie dafür sogar töten müssen?«
Tammy stand auf und schritt ruhelos im Zimmer auf und ab. »Es gibt einige Gruppierungen, die ein persönliches Interesse daran haben, Maria Magdalenas Version geheim zu halten. Die offizielle Kirche zum Beispiel. Aber die ist nicht wirklich gefährlich.«
»Aber wer dann? Verdammt noch mal, Tammy, ich hab die Nase voll von euren Rätseln und Spielchen. Ich möchte eine vollständige Erklärung hören, und zwar bald.«
Tammy nickte ernst. »Und die bekommst du – morgen früh. Aber mir steht sie nicht zu.«
»Wo steckt Sinclair? Ich will ihn sprechen. Sofort.«
Tammy zuckte hilflos die Achseln. »Ich fürchte, das geht nicht. Kurz nachdem ihr aus seinem Arbeitszimmer gekommen seid, ist er weggefahren. Ich weiß nicht genau, wohin, aber er hat gesagt, es könnte spät werden. Er wird dir morgen alles erklären, das verspreche ich dir.«
Doch bis Berenger Sinclair zum Château des Pommes Bleues zurückgekehrt war, sollte sich die Welt verändert haben.
I sas Einzug in Jerusalem wurde natürlich von der gesamten Obrigkeit bemerkt, von den Priestern im Tempel bis zu Pilatus’ Leibwache. Die Römer waren in Sorge wegen des Paschafestes. Sie fürchteten einen Aufstand oder Ausschreitungen, entzündet durch eine Welle des Patriotismus unter den Juden. Und da unter uns Zeloten waren, konnte Pilatus nicht umhin, uns zu bemerken.
Es waren einige unter uns, die Verbindungen zur Priesterschaft hatten. Sie berichteten uns, der Hohepriester Kaiphas, Schwiegersohn des Jonathan Hannas, der uns so sehr verachtete, halte einen Rat ab über ›diese Vorstellung, dass der Nazarener der Messias sei‹.
Ich habe schon meinen Teil gesagt über diesen Mann Hannas und werde hier mehr von seinen Taten berichten. Aber ich tue es mit einer Warnung: Richtet nicht die vielen wegen der Handlungen eines Einzelnen. Denn die Priester sind wie alle anderen Menschen – manche sind gerecht und gut in ihrem Herzen, andere sind es nicht. Es gibt jene, die in den Dunklen Tagen den Befehlen des Hannas folgten – und darunter waren Priester und andere. Manche taten es aus Furcht, manche aus Gehorsam, und manche, weil sie gute und gerechte Menschen waren, wie auch mein eigener Bruder gewesen war, als er jene furchtbare Entscheidung traf. Manche stellten sich gegen uns, weil sie weiteres Blutvergießen unter den Juden fürchteten und während des Paschafestes den Frieden für das Volk bewahren wollten. Und ich kann niemanden für diese Entscheidung zeihen.
Sollen wir jene verdammen, die das Licht nicht sahen? Nein. Isa hat uns gelehrt, dass wir sie nicht meiden dürfen, sondern ihnen vergeben sollen.
Das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena
Das Buch der Dunklen Zeit
Kapitel vierzehn
Château des Pommes Bleues
25. Juni 2005
Maureen kehrte in ihr Zimmer zurück, von Furcht und Vorahnungen erfüllt. Sie war dieser Sache nicht gewachsen und hatte keine Ahnung, was sie jetzt machen sollte. Langsam streifte sie ihr Nachthemd über und versuchte nachzudenken, obgleich ihr von dieser
Weitere Kostenlose Bücher