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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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unbekannt; wenige wussten, dass Pilatus überhaupt einen Sohn hatte. Pilo war durch eine Missbildung des linken Beines behindert und daher gezwungen, im Palast zu bleiben. Pilatus hatte seinen Sohn nie in der Öffentlichkeit gezeigt, da er wusste, dass der Junge niemals Soldat werden, niemals in die Fußstapfen seines Vaters als Statthalter Roms treten würde. Ein Kind, dem von den Göttern so übel mitgespielt worden war, galt bei den Römern als schlechtes Omen.
    Doch Claudia kannte Pilatus besser als die anderen. Sie wusste, wie er um den Jungen weinte, nachts, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Pilatus hatte sein halbes Vermögen für teure griechische Ärzte, Knocheneinrenker aus Indien und sonstige Heiler ausgegeben. Doch jeder Heilungsversuch hatte nur mit Pilos Schmerz- und Verzweiflungstränen geendet. Danach hielt Claudia den Jungen, während er sich in den Schlaf weinte; sein Vater aber stürzte jedes Mal, wenn dies geschah, aus der Festung und ließ sich stundenlang nicht sehen.
    Die junge Smedia hatte unendliche Geduld mit dem Kleinen; sie saß bei ihm, erzählte Geschichten und sang ihm Lieder vor. Claudia lächelte verständnisinnig, wenn sie die beiden aus dem Augenwinkel beobachtete, während sie und Rachel stickten. Was würde Pilatus sagen, wenn er sein Kind auf Hebräisch singen hörte? Doch ihr Gatte ließ sich selten in ihren Gemächern sehen, und sie wusste, dass sie sich deswegen keine Sorgen zu machen brauchte.
    Bei einem dieser Besuche hörte Claudia Procula zum ersten Mal von Isa dem Nazarener. Rachel schwärmte geradezu von dem Mann und seinen guten Werken. Sie unterhielt Claudia mit Geschichten über Isas Heilungen und Wunder. Jairus erlaubte Rachel solche Schwärmereien nicht, denn der Nazarener wurde als Feind von Jonathan Hannas und Kaiphas betrachtet. Diese Männer hielten Isa für einen Abtrünnigen, der dem Tempel nicht den schuldigen Gehorsam erwies. Jairus durfte offiziell nichts mit ihm zu tun haben.
    Und doch war sein eigener Vetter Judas einer von Isas auserwählten Jüngern geworden. Eine peinliche Lage für Jairus, doch bis jetzt bewältigte er sie ganz gut. Und Rachel freute sich, dass sie nun öfter Berichte aus erster Hand über die Wunder des Nazareners erhielt.
    »Du solltest Pilo zu Isa bringen«, sagte sie eines Tages zu Claudia.
    Deren Augen verschleierten sich. »Wie könnte ich? MeinMann würde nie erlauben, dass wir uns in Gesellschaft eines nazarenischen Wanderpredigers sehen lassen. Das schickt sich nicht.«
    Rachel erwähnte das Thema aus Rücksicht auf die Freundin nicht mehr. Aber Claudias Neugier war nun geweckt. Nachdem Smedia von dem schrecklichen Fieber befallen worden war, dauerte es nur wenige Tage, bis auch Pilo daran erkrankte.

    Die Trauergemeinde hatte sich bereits am Haus des Jairus versammelt. Mit dem Tempel verbundene Familien und viele Bürger Jerusalems, die von Jairus’ und Rachels Schicksal berührt waren, hatten sich eingefunden. Smedia, die geliebte Tochter der beiden, war tot.
    Judas drängte sich durch die Menge, eilte zum Haus seines Cousins. Isa und Maria folgten ihm auf dem Fuße; Isa hielt Maria an der Hand, um sie nicht in der Menge zu verlieren. Ihnen folgten Andreas und Petrus als Geleitschutz. Die Nazarener wussten, dass das Kind seinem Fieber erlegen war, aber das schreckte sie nicht. Sie eilten weiter und verschwanden im Haus des Jairus.

    Auch in der Festung Antonia war Pontius Pilatus und Claudia Procula mitgeteilt worden, dass es keine Hoffnung mehr für ihr einziges Kind gebe. Die Ärzte hatten Pilo aufgegeben. Sie konnten nichts mehr für den Jungen tun, und war er nicht ohnehin ein Krüppel und von schwächlicher Natur gewesen? Pontius Pilatus verließ schweigend den Raum und schloss sich für den Rest der Nacht mit seinen Büchern der Stoa ein. Er musste den Verlust auf seine eigene römische Weise verarbeiten.
    Claudia blieb mit dem dahinsiechenden Pilo zurück. Sie hieltihn auf seinem Bett umarmt und weinte leise, weil ihr lieber, tapferer Junge sterben musste. So fand der griechische Sklave seine Herrin, als er kurz danach den Raum betrat.
    »Mein armer Junge geht von uns«, sagte Claudia leise. »Was sollen wir nur tun? Was soll ich nur ohne ihn anfangen?«
    Der Sklave eilte an ihre Seite. »Herrin, ich bringe Nachricht aus dem Haus der Rachel und des Jairus. Es sind traurige Neuigkeiten, doch vielleicht haben sie Hoffnung im Gefolge. Die liebliche Smedia ist gestorben.«
    »Nein!«, rief Claudia. Dies war mehr, als

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