Das Magdalena-Evangelium: Roman
Lieblingsporträt von Magdalena. Es fängt ihre Schönheit und ihre göttliche Gnade besser ein als jedes andere. Exquisit.«
Peter runzelte ungläubig die Stirn. »Aber Sie wollen doch nicht sagen, das sei das Original. Das habe ich nämlich gesehen – im Prado.«
»Oh, aber es ist das Original. Ribera hat es auf Bitte des Königs von Aragon gemalt. Genauer gesagt, hat er zwei gemalt. Und Sie haben recht: Das kleinere hängt im Prado. Der spanische König hat das andere einem meiner Vorfahren alsFriedensangebot geschenkt, einem Mitglied der Familie Stuart. Wie Sie sehen werden, fühlten sich die Vertreter der schönen Künste schon immer von unserer Guten Frau angezogen. Später, während des Diners, werde ich Ihnen weitere Beispiele dafür zeigen. Aber wenn ich fragen darf: Wohin wollten Sie gerade gehen?«
Maureen antwortete: »Wir wollten vor dem Abendessen noch einen kleinen Spaziergang machen. Als wir hierhergefahren sind, habe ich ein paar Ruinen auf dem Hügel gesehen, und die wollte ich mir jetzt näher ansehen.«
»Ja, natürlich. Es wäre mir übrigens eine Ehre, mich Ihnen als Reiseführer zur Verfügung zu stellen – aber natürlich nur, wenn Father Healy nichts dagegen hat.«
»Natürlich nicht.« Peter lächelte, doch Maureen bemerkte die Anspannung um seinen Mund, als Sinclair sie am Arm nahm.
Rom
23. Juni 2005
Die Sonne schien in Rom heller als sonst wo auf der Welt – oder zumindest hatte Bischof Magnus O’Connor dieses Gefühl, als er über den Platz in Richtung des Petersdoms schritt. Ihm wurde geradezu schwindelig ob der Ehre, Zutritt zur Privatkapelle erhalten zu haben.
Als er den geweihten Boden betrat, blieb er kurz vor der Marmorstatue des heiligen Petrus mit den Schlüsseln zur Kirche stehen und küsste die nackten Füße des Heiligen. Dann watschelte er nach vorne und ließ sich auf der vordersten Kirchenbank nieder. Er dankte seinem Herrn dafür, dass er ihn an diesen heiligen Ort geführt hatte. Er betete für sich, für sein Bistum, und er betete für die Zukunft der Heiligen Mutter Kirche.
Als er sein Gebet beendet hatte, betrat Magnus O’Connordas Büro von Tomas Kardinal DeCaro. Unter dem Arm trug er die zwei roten Aktenordner, die seine Eintrittskarte für den Vatikan gewesen waren.
»Es ist alles hier, Euer Eminenz.«
Der Kardinal dankte ihm. Falls O’Connor eine Einladung erwartet haben sollte, ausführlicher mit dem Kardinal zu diskutieren, so würde er herb enttäuscht werden. Kardinal DeCaro entließ ihn mit einem höflichen Nicken und sprach ansonsten kein Wort.
DeCaro war begierig darauf, zu sehen, was sich in diesen Aktenordnern verbarg, aber er zog es vor, das zunächst einmal ohne Zuschauer zu tun.
Er öffnete den ersten Aktenordner, auf dem in großen schwarzen Buchstaben zu lesen stand:
EDOUARD PAUL PASCHAL
I ch habe noch nicht über die Große Mutter geschrieben, die Hohe Maria. Damit habe ich bis jetzt gewartet, denn ich habe mich oft gefragt, ob ich Worte finden könnte, die ihrer Güte, ihrer Weisheit und ihrer Stärke gerecht werden. Im Leben einer jeden Frau wird es stets den Einfluss und die Lehren einer anderen geben, die weit über ihr steht. Für mich konnte das nur die Hohe Maria sein, Isas Mutter.
Meine eigene Mutter starb, als ich noch sehr klein war. Ich erinnere mich nicht an sie. Und während Martha stets für mich gesorgt und sich um meine weltlichen Bedürfnisse gekümmert hat wie eine große Schwester, so war doch Isas Mutter meine geistige Lehrerin. Sie nährte meine Seele und lehrte mich viele Lektionen des Mitgefühls und des Verzeihens. Sie zeigte mir, was es bedeutet, eine Königin zu sein, und sie unterwies mich in dem Verhalten, wie es einer Frau mit unserem vorherbestimmten Schicksal geziemt.
Als die Zeit kam, da ich den roten Schleier anlegen und zur wahren Maria werden sollte, war ich vorbereitet – durch Sie und durch alles, was sie mir gegeben hat.
Die Hohe Maria war ein Muster an Gehorsam, doch ihr Gehorsam galt nicht nur einzig und allein dem Herrn. Sie hörte Gottes Botschaften mit vollkommener Klarheit. Ihr Sohn verfügte über die gleiche Fähigkeit, und das war der Grund, warum sie sich von den anderen unterschieden, die ebenfalls aus edlem Geblüt stammten. Ja, Isa war ein Kind des Löwen, Erbe des Hauses David, und seine Mutter entstammte der Priestersippe des Aaron. Sie war als Königin geboren und Isa als König. Doch es war nicht das Blut allein, was sie von den anderen abhob, es waren ihr Geist
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