Das Magdalena-Evangelium: Roman
meines Vaters zeigen?«
»Wenn dieser Abend vorbei ist. Dann, denke ich, werden Sie besser verstehen können, was es damit auf sich hat.«
Maureen kehrte in ihr prachtvolles Schlafzimmer zurück, um zu baden und sich fürs Diner umzuziehen. Als sie aus dem Badezimmer trat, bemerkte sie etwas, das ihr beim Hereinkommen entgangen war. Auf ihrem Bett lag ein großes gebundenes Buch – ein Englischwörterbuch –, aufgeschlagen beim Buchstaben »P«.
Das Wort »Paschal« war rot umrahmt. Maureen las die Definition.
»Paschal – von hebräisch: Pessah oder Pascha. Jede symbolische Darstellung Christi. So ist das Paschalamm das Symbol für Christus und Ostern.«
V iele haben mir von diesem Mann mit Namen Paulus erzählt. Er sorgte für große Unruhe unter den Auserwählten, und einige sind den weiten Weg von Rom oder Ephesos hierhergekommen, um mich um Rat zu diesem Mann und seinen Worten zu fragen.
Es ist jedoch nicht an mir, über ihn zu urteilen, und ich vermag auch nicht zu sagen, wie es in seiner Seele aussah, denn ich habe ihn nie in Fleisch und Blut gesehen und ihm in die Augen geschaut. Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass dieser Mann, Paulus, Isa nie getroffen hat und dass ich zutiefst bekümmert war, als ich erfuhr, dass er für ihn sprach und für all das, was er uns über das Licht und die Güte gelehrt hat, die den Rechten Weg darstellen.
Es gibt vieles an diesem Mann, was ich für gefährlich halte. Er war einst mit den härtesten Gefolgsleuten des Johannes verbündet, alles Männer, die Isa nur Verachtung entgegengebracht haben. Sie haben sich den Lehren des Rechten Weges entgegengestellt, so wie Er ihn uns verkündet hat. Man hat mir erzählt, früher habe man diesen Mann als Saulus von Tarsus gekannt, und unter diesem Namen habe er die Auserwählten verfolgt. Er stand daneben, als man einen jungen Gefolgsmann Isas zu Tode gesteinigt hat, einen wunderschönen Jüngling mit Namen Stephanus, der ein Herz voll Liebe hatte. Stephanus war der Erste nach Isa, der für seinen Glauben an den Rechten Weg gestorben ist; aber er sollte bei weitem nicht der Letzte sein – und das wegen Männern wie Saulus von Tarsus.
Es gibt viel, wovor man sich hier hüten muss.
Das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena
Das Buch der Jünger
Kapitel neun
Château des Pommes Bleues
23. Juni 2005
Der Speisesaal, den Sinclair für diesen Abend gewählt hatte, war sein privater und damit weniger formell als der große, höhlenartige Hauptspeisesaal des Châteaus. Der Raum war mit exzellenten Repliken von Botticellis berühmtesten Gemälden verziert. Beide Versionen der als Beweinung Christi bekannten Meisterwerke nahmen fast eine ganze Wand ein. Sie zeigten den Leichnam des Gekreuzigten auf dem Schoß seiner Mutter. In der ersten Version wurde sein Kopf von einer weinenden Maria Magdalena gehalten; in der zweiten hielt sie seine Füße. Zwei Madonnengemälde des Renaissance-Meisters, Madonna mit Granatapfel und Madonna mit dem Buch , hingen in reich vergoldeten Rahmen an zwei anderen Wänden.
Maureen und Peter wurden erst von den Kunstwerken abgelenkt, als sie das traditionelle Languedoc-Festmahl sahen, das für sie bereitet worden war. Brodelnde Terrinen mit Cassoulet, dem herzhaften weißen Bohneneintopf gewürzt mit Landwurst und eingemachtem Entenfleisch, wurden von Dienerinnen an den Tisch gebracht, die auch Körbe mit knusprigem Brot auftrugen, und ein schwerer Corbières-Rotwein wartete darauf, eingeschenkt zu werden.
»Willkommen im Botticelli-Saal«, verkündete Sinclair, als er den Raum betrat. »Wenn ich recht verstanden habe, haben Sie kürzlich eine gewisse Affinität zu unserem Sandro entwickelt.«
Maureen und Peter starrten ihn an.
»Haben Sie uns beschatten lassen?«, fragte Peter.
»Natürlich«, antwortete Sinclair in beiläufigem Tonfall. »Undes freut mich, dass ich das getan habe, denn ich war außerordentlich beeindruckt, als Sie bei dem Hochzeitsfresko gelandet sind. Unser Sandro war Magdalena treu ergeben, was in den meisten seiner berühmten Werke deutlich zum Ausdruck kommt … wie zum Beispiel in diesem hier.«
Sinclair deutete auf die Replik von Botticellis Geburt der Venus , dem allseits bekannten Gemälde, das die nackte Göttin zeigt, wie sie sich in einer Jakobsmuschel aus den Wellen erhebt.
»Das stellt Maria Magdalenas Ankunft an der französischen Küste dar. In Renaissancegemälden wird sie oft als Göttin der Liebe abgebildet und steht in enger Verbindung zum
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