Das Magdalena-Evangelium: Roman
miteinander verschmolzen wurden.«
Weder Maureen noch Peter sagten ein Wort, sondern beide warteten sie darauf, welche Einzelheiten Sinclair noch preisgeben würde. »Es ist viel darüber spekuliert worden, ob all diese großen Künstler vielleicht selbst der Blutlinie angehört haben und ob ihr Talent womöglich von den göttlichen Genen herrührte. Das ist durchaus möglich und in Sandros Fall sogarwahrscheinlich. Und wir sind sicher, dass es bei einigen französischen Meistern tatsächlich so ist, wie zum Beispiel Georges de la Tour, der seine Muse und Vorfahrin immer und immer wieder gemalt hat.«
Aufgeregt bemerkte Maureen, dass sie diesen Querverweis erkannte. »Ich habe eines von de la Tours Gemälden während meiner Forschungen gesehen. Die Magdalena der Nacht hängt in Los Angeles.« Die Art und Weise, wie Licht und Schatten bei dem wunderschönen Bild eingesetzt wurden, hatte sie sehr bewegt. Maria Magdalena, die Hand auf dem Schädel, dem Symbol der Buße, starrt dort ins flackernde Licht einer Kerze, das in einem Spiegel reflektiert wird.
»Sie haben eine Magdalena der Nacht gesehen«, stellte Sinclair klar. »Er hat viele subtile Variationen dieses Themas gemalt. Mehrere sind verloren gegangen. Eine wurde beispielsweise zu Zeiten meines Großvaters aus einem Museum gestohlen.«
»Woher wissen Sie, dass Georges de la Tour zur Blutlinie gehörte?«
»Sein Name war der erste Hinweis. De la Tour heißt ›vom Turm‹. Das ist eigentlich eine Art Wortspiel. Der Name Magdala kommt von dem hebräischen Wort migdal , was wiederum ›Turm‹ bedeutet. Also ist sie im wörtlichen Sinne ›Maria vom Ort des Turms‹. Wie Sie bereits wissen, behaupten einige, Magdalena sei ein Titel gewesen, dass es bedeute, Maria sei der Turm oder zumindest die Anführerin ihres Stammes.
Als man die Katharer verfolgt hat, waren die Überlebenden gezwungen, ihre Namen zu ändern, um ihre Identität zu schützen, denn die katharischen Namen waren leicht zu erkennen. Also verbargen sie ihr Erbe in aller Öffentlichkeit, indem sie Namen wie ›de la Tour‹ verwendeten und …«, um der Dramatik willen hielt er kurz inne, »… ›de Paschal‹.«
Maureen riss die Augen auf. »De Paschal?«
»Natürlich. Der Name Paschal diente dem Schutz einer der edelsten der Katharer-Familien. Auch hier verbargen sie sich inaller Öffentlichkeit. Sie nannten sich de Paschal auf Französisch und di Pasquale in Italien. Die Kinder des Paschalamms.
Außerdem weiß ich«, fuhr Sinclair fort, »dass Georges de la Tour zur Blutlinie gehörte, weil er der Großmeister einer Organisation war, die sich den Traditionen des reinen Christentums verschrieben hat, wie Maria Magdalena es nach Europa brachte.«
Nun war es an Peter, zu fragen: »Und was für eine Organisation ist das?«
Sinclair forderte sie mit einer Geste auf, sich umzusehen. »Die Gesellschaft der Blauen Äpfel. Sie dinieren gerade im offiziellen Hauptquartier einer Organisation, die es in diesem Land schon über tausend Jahre gibt.«
Sinclair hatte es abgelehnt, Näheres über die Gesellschaft zu erzählen, und das Thema mit der Effizienz eines Meistermanipulators einfach abgetan. Den Rest der Mahlzeit verbrachten sie damit, über den Tag in Rennes-le-Château und den rätselhaften Priester Abbé Bérenger Saunière zu reden. Sinclair war ausgesprochen stolz auf seinen Namensvetter. »Der Abbé hat meinen Großvater in dieser Kirche getauft«, erklärte er. »Da ist es kein Wunder, dass der alte Alistair sein Leben diesem Land gewidmet hat.«
»Und offensichtlich hat er diese Hingabe an Sie vererbt«, bemerkte Maureen.
»Ja. Als er mich nach Bérenger Saunière benannt hat, hat mein Großvater mir einen besonderen Segen erteilt. Mein Vater hat Einspruch dagegen erhoben, aber Alistair war ein Mann aus Stahl, und niemand hat sich ihm lange widersetzt, sicherlich nicht mein Vater.«
Sinclair lehnte weitere Erklärungen ab, und Peter und Maureen drängten ihn auch nicht, tiefgreifender auf etwas einzugehen,was offensichtlich eine sehr persönliche und sensible Angelegenheit war.
Nach dem Essen scheuchte Sinclair seine Gäste aus dem Speisesaal. »Kommen Sie. Ich möchte noch einmal auf Sandro zurückkommen und Ihre fantastische Entdeckung im Louvre. Hier entlang.«
Er führte sie in einen unpassend modernen Raum mit einer Heimkinoanlage vom neuesten Stand sowie mehreren Computern. Roland war an einem der Rechner stationiert und begrüßte sie mit einem freundlichen »Bonsoir« ,
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