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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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bieten als irgendwo sonst in Italien, und er wusste auch, dass er niemals in die Lukasgilde aufgenommen würde, wenn er dir nicht nach dem Mund redet.«
    Die Lukasgilde war eine Gemeinschaft von Künstlern, die in Florenz sämtliche großen Aufträge auf dem Gebiet der Malerei überwachte. Um sich in dieser Stadt einen Namen zu machenund vom Künstlerberuf leben zu können, musste ein Maler der Gilde angehören. Und da die Gilde eng mit dem Orden und den Medici verbunden war, musste ein Künstler bei beiden gut angesehen sein, wollte er die Mitgliedschaft erlangen.
    »Aber irgendwo hört es auf, das sage ich dir. Er mag genial sein, aber wenn ein Motiv nicht nach seinem Geschmack ist, arbeitet er längst nicht so schnell und gut. Seit Monaten ist er mit einem Entwurf für die drei Magi beschäftigt, kommt aber nicht voran. Ich wette jeden Florin, den ich je verdient habe, dass die Leinwand nie Farbe sehen wird. Ein Genie dieser Art nützt uns nichts, Lorenzo. Es kann nicht in unserem Sinne gelenkt werden. Aus dem, was Leonardo in einem Monat an Skizzen anfertigt, male ich dir zehn vollständige Bilder.«
    Lorenzo nickte bloß. Sandro mochte zwar ein wenig zu sehr von seinen Fähigkeiten überzeugt sein, doch er hatte auch allen Grund dazu. Er war nicht nur ein kreatives Genie, das die Lehren des Ordens in sich aufgesogen hatte, sondern unerreicht in seiner Leistung. Sandro war produktiver als alle Künstler, die Lorenzo kannte. Und es war ein Grundsatz des Ordens, dass die Künstler, die ihm angehörten, ihre Werke für Gott schaffen sollten – so viele wie möglich und mit so viel Leidenschaft und Hingabe wie möglich. Himmlische Künstler schufen nicht nur Qualität; sie waren darüber hinaus in der Lage, in großer Zahl zu produzieren, ohne dass ihre Kunst darunter litt.
    »Leonardo kann keine große Kunst erschaffen. Während wir anderen für die Schönheit arbeiten, zeichnet er auf seinem Skizzenblock seltsame Maschinen – riesige Apparate, um Erde auszuheben, oder Kriegswaffen, die einen Menschen in Stücke reißen können. Das alles mag ja ganz nützlich, vielleicht sogar interessant sein, aber es dient unserer Mission in keiner Weise. Außerdem hat Leonardo kein Interesse an den Lehren des Ordens und hört Andrea nicht zu, wenn er wichtiges Geheimwissen kundtut.«
    Jetzt hatte Sandro Lorenzos volle Aufmerksamkeit, wie er eserwartet hatte. Dass Leonardo sich den Lehren des Ordens verschloss, ihnen vielleicht sogar feindlich gegenüberstand, war ein schwerwiegender Fehler. Denn der Orden bildete seine Künstler nicht nur um der Kunst willen aus, sondern um eine Werkstatt göttlich inspirierter Schriftgelehrter zu schaffen, die die heiligen Lehren für zukünftige Generationen in Meisterwerke übersetzten.
    »Hältst du ihn für gefährlich? Oder gar für einen Spion?«
    Sandro schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht behaupten, dass er tückisch ist. Aber eines Tages könnte er von gewissen Leuten für ihre Zwecke benutzt werden. Es ist ihm einfach nicht gegeben, dir oder dem Orden gegenüber zuverlässig und treu zu sein. Wir sind ihm nicht das Wichtigste, und so wird es vermutlich bleiben.«
    Lorenzo dachte eine Zeit lang darüber nach. Dann meinte er: »Jacopo sagte mir, Leonardo sei der größte Künstler, der je gelebt hat.«
    »Bracciolini hat das gesagt?« Sandro versuchte gar nicht erst, seine Geringschätzung zu verbergen. »Kein Wunder. Sie sind sich sehr ähnlich. Kopfmenschen. Genies im Geiste, für die nur das eigene Wissen zählt. Alles, was darüber hinausgeht, ist ihnen nichts wert.«
    »Du findest also nicht, dass Leonardo zum nächsthöheren Grad zugelassen werden sollte, damit wir sehen, wie er sich macht?«, fragte Lorenzo. »Ich wollte ihn zur Beurteilung zu einem privaten Treffen mit dem Meister schicken.«
    Sandro zuckte die Achseln. »Es kann nicht schaden, sich anzuhören, was Fra Francesco über ihn zu sagen hat. Er ist der größte Menschenkenner auf Gottes weiter Erde. Aber ich würde mir wegen dieses Leonardo keine allzu großen Hoffnungen machen. Habe ich übrigens schon erwähnt, dass er rückwärts schreibt? Als wenn er seine Schrift im Spiegel sähe? Das ist zwar eine interessante Fertigkeit, aber welchen Zweck soll sie haben, außer dass sie zum Taschenspielerkunststück taugt? Es würde mich sehr interessieren,was dabei herauskäme, würde er seine Begabung auf ein wirklich großes Kunstwerk verwenden.«
    Lorenzo nickte; er verstand sehr gut. Sandros Bericht bestürzte ihn.

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