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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Hätte er ihn weggeschickt, als sich die Gefahr seines Wesens zum ersten Mal offenbarte, wäre das Furchtbare vielleicht nicht geschehen. Vielleicht hätte der Schurke Sixtus dann nicht die Munition besessen, die er benötigte, um die Medici anzugreifen. Was ich für Vergebung hielt, erwies sich alsfehlendes Urteilsvermögen. Und dies ist die Lehre, die wir daraus ziehen wollen, meine Kinder: Ihr müsst stets vergeben und andere voller Liebe behandeln. Aber das bedeutet nicht, dass ihr einen Wolf in eurer Lämmerherde behalten müsst. Denn Leonardo war, wenngleich ein Betrüger, nicht der schlimmste Verräter. In unserer Mitte war einer, der viel schlimmer und gefährlicher war.«

Kapitel vierundzwanzig
    Florenz
    Dezember 1475
     
    C larice konnte Madonna Lucrezia nicht finden und war vor Angst fast von Sinnen. Sie hatte oft genug geboren, um zu wissen, dass die Niederkunft nahte und die Hebamme kommen musste. Doch in Florenz war Festwoche und viele Bedienstete hatten frei; deshalb war kaum noch jemand im Haus, der ihr mit den Kindern und im Haushalt behilflich sein konnte. Lorenzo war stets zu großzügig gegenüber der Dienerschaft; infolgedessen musste Clarice oft Aushilfen beschäftigen. Selten beschwerte sie sich, da sie wusste, es war das Los des Weibes, zu leiden – doch im neunten Monat ihrer Schwangerschaft war selbst Clarices Geduld erschöpft.
    Sie wusste, dass ihr der Eintritt in Lorenzos Arbeitszimmer streng untersagt war. Es war Tradition in Florenz, dass die Ehefrauen die Privaträume ihrer Männer nicht betraten, und Clarice hatte dieses Gesetz bislang klaglos hingenommen. Doch die Vorwehen nötigten sie, Beistand zu suchen, und so eilte sie zu Lorenzos studiolo und stieß die Tür auf, ohne vorher anzuklopfen.
    Clarice blieb wie angewurzelt stehen und erbleichte bei dem Anblick, der sich ihr bot: Das gewaltige Bildnis der schwangeren Lucrezia Ardinghelli beherrschte eine ganze Wand in Lorenzos Refugium. Es war eine so abscheuliche heidnische Darstellung, dass Clarice überzeugt war, das ganze Haus sei zur Höllenfahrt verdammt.
    Lorenzo blickte vom Schreibpult auf, an dem er gerade die Bankbücher der Medici-Niederlassung in Lyon prüfte. Besorgtvermerkte er die Anwesenheit seiner Gemahlin. »Fühlst du dich nicht wohl, Clarice? Macht dir das Kind zu schaffen?«
    Clarice faltete die Hände über dem geschwollenen Leib und nickte, ließ jedoch keine Sekunde Sandro Botticellis Paradestück aus den Augen. Schließlich brachte sie mit zitternder Stimme hervor: »Lorenzo, ich will das nicht in meinem Haus haben.«
    »Dies ist mein Haus, Clarice.« Lorenzo war gereizt, mühte sich aber um Beherrschung. »Und mein Arbeitszimmer. Ich bestimme, was ich hier haben will und was nicht, ohne dass jemand anders seine Ansichten dazu erklärt oder seine Zustimmung gibt. Ich erlaube dir, andere Räume zu deiner Zufriedenheit zu gestalten. Dieses Zimmer ist der einzige Raum, der vollends mein Herrschaftsbereich ist. Deshalb musst du seine Ausgestaltung mir überlassen.«
    »Aber das ist ungerecht, Lorenzo!« Clarice begann zu schreien, denn ihr Zustand versetzte sie in Hysterie. »Es ist zu viel verlangt, dass ich so etwas ertragen soll. Es ist grausam. Du rühmst dich deiner Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Warum konntest du diese Prinzipien niemals mir zugute kommen lassen, deiner Ehefrau?«
    Clarices Ausbruch war leidenschaftlich, eine Gefühlsregung, die Lorenzo in all den gemeinsamen Jahren mit ihr nie erlebt hatte.
    »An jedem Tag meines Lebens muss ich die Qual ertragen, dass du mich niemals lieben wirst«, fuhr sie fort. »In dieser Ehe gibt es drei Menschen, und ich bin der Unwichtigste. Ich weiß es, ich lebe damit und versuche, nicht in der Kälte zu verwelken. Die Sonne meines Lebens finde ich stattdessen in meinen Kindern … unseren Kindern. Ich verlange nicht viel, Lorenzo, aber wenn du dieses grässliche heidnische Bildnis nicht entfernen lässt, nehme ich die Kinder und gehe nach Rom. Auch deine kostbare Maddalena nehme ich mit.«
    Lorenzo war gegenüber Drohungen und Erpressung immun, doch Clarices Worte über Gerechtigkeit trafen ihn tief. Nie hatteer geahnt, welchen Schmerz sie in den gemeinsamen Jahren hatte erdulden müssen. Es war ihm nicht einmal in den Sinn gekommen, dass sie ihn liebte, denn sie hatte sich stets gleichgültig gezeigt. Clarice ließ den Beischlaf über sich ergehen, um für die Medici-Dynastie Söhne zu produzieren, so, wie sie ein Essen vorbereitete oder ein Kissen

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