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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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flickte: als notwendige Obliegenheiten einer Ehefrau.
    Doch ihr Ausbruch hatte Lorenzo gezeigt, dass sie verletzt war, und er war der Schuldige. Seine Reue war echt.
    »Es tut mir leid, Clarice«, sagte er sanft und mit einem Anflug von Zärtlichkeit.
    Gegen ihren Willen brach Clarice in Tränen aus. Sie wünschte sich, Lorenzo würde sie in die Arme schließen, ihr die Wärme und den Trost schenken, von dem sie geträumt hatte, als sie nach Florenz gekommen war – ein verängstigtes junges Mädchen, das in der Fremde einen Fremden heiraten sollte. Doch für solche Liebesbeweise war es zu spät. Ihr schweigender Ehekrieg währte nun schon zu lange. Das Beste, was Lorenzo ihr geben konnte, war ein Zugeständnis an ihren Zustand, an ihre Erschöpfung durch die Schwangerschaft. So klang seine Antwort sanft, wenn auch nicht zärtlich.
    »Ich werde das Bild morgen früh fortbringen lassen. Gute Nacht, Clarice.«
    Mit bislang nie aufgebrachter Tapferkeit fragte Clarice: »Lorenzo, willst du mir nicht … kannst du mir nicht ein Wort der Liebe sagen?«
    Lorenzo war erstaunt. »Liebe, Clarice? Während all unserer Jahre als Mann und Frau habe ich dich dieses Wort nie gebrauchen hören. Pflicht, ja. Liebe … niemals. Verzeih, wenn ich keinen Sinn in deiner Bitte erkenne.«
    »Lorenzo, du bist mein Ehemann, und ich … ich liebe dich.«
    Lorenzo seufzte. Er verspürte Mitleid und Trauer angesichts der Rolle, die er in ihrem unglücklichen Schicksal spielte. Trotz ihrer Fehler war Clarice keine abstoßende Frau, lediglich ein Produktihrer Familie und ihres Glaubens. Er bemühte sich, nicht grausam zu antworten, doch seine Worte waren kalt genug.
    »Dann, Clarice«, sagte er, »tut es mir aufrichtig leid.«
    Schluchzend floh Clarice aus Lorenzos studiolo und zurück ins Haupthaus, wo Madonna Lucrezia sie fand und sogleich ins Bett steckte, damit sie dort die Hebamme erwarten konnte.
    Am nächsten Tag ließ Lorenzo das Meisterwerk, das er und Sandro »Die Zeit kehrt wieder« nannten, aus dem Palazzo an der Via Larga fortschaffen. Er ließ es neu rahmen und in das Brautbett einfügen, das er seinem Vetter Lorenzo di Pierofrancesco als Hochzeitsgeschenk verehren wollte. Jener andere Lorenzo war ebenfalls in den Klassikern der Antike bewandert und würde die mythischen Elemente des Werkes zu würdigen wissen. Lorenzo bat Sandro, das Bild noch ein wenig persönlicher zu gestalten, damit es so erschien, als wäre es von vornherein für die Pierofrancescos geschaffen worden. Da deren Familienemblem ein Schwert war, fügte Sandro die Waffe ins Gemälde ein, indem er Hermes damit gürtete.
    Lorenzo di Pierofrancesco und seine Braut waren entzückt über das großzügige Geschenk ihres erhabenen Cousins.
    Lorenzo de’ Medici hingegen war erschüttert über den Verlust des größten Meisterwerks, das Sandro Botticelli je geschaffen hatte. Sein einziger Trost war, dass Clarice am elften Tag des Dezember einen gesunden, kräftigen Knaben zur Welt brachte. Sie nannten ihn Giovanni.

    Colombina brachte ihr Kind im Beisein ihrer Schwester Costanza und Ginevra Gianfigliazzas zur Welt. Niccolò war auf See.
    Der biologische Vater des Kindes war unabkömmlich.
    Colombina weinte vor Schmerzen während der Geburt, doch als sie in der Nacht den wunderschönen kleinen Knaben in den Armen hielt, weinte sie vor Glück. Er hatte eine vollkommeneNase und feine Gesichtszüge und glich mehr seiner Mutter als seinem Vater. Zum Glück war das Kind nicht mit dem Unterbiss der Medici oder der platten Tornabuoni-Nase geboren worden. Seine Gesichtszüge würden ihn nicht verraten; er würde in seinem späteren Leben nicht als Bastard von Lorenzo beschimpft werden. Colombina war dankbar, dass ihm dies erspart blieb.
    Und dennoch: Während sie den Knaben betrachtete, wünschte sie sich insgeheim, er möge Lorenzo ähnlicher sein.
     
    RRRRRRRRRRRRR
     
    Florenz
    April 1476
     
    Ginevra Gianfigliazza saß auf dem Fenstersitz und schaute auf den Arno hinaus. Der Tag war stürmisch, dunkel und düster, und sie spürte die Feuchtigkeit in ihren Knochen. Als Colombina eintrat, erhob Ginevra sich nicht. Die beiden Frauen standen einander zu nahe für eine formelle Begrüßung, und jede konnte die Stimmungen der anderen auf eine Weise nachfühlen, wie es nur junge Frauen vermögen, die viele Geheimnisse geteilt haben. Colombina begrüßte ihre Freundin nicht mit Worten, sondern küsste sie nur auf die Wange und setzte sich ihr gegenüber, von wo sie einen ähnlich

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