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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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schönen Ausblick auf den Fluss hatte wie Ginevra.
    Ginevra schaute auf. Ihre Augen waren rot und verquollen. Sie war nicht erstaunt, als sie bemerkte, dass Colombina kaum anders aussah.
    »Auch du erkennst es«, sagte Ginevra schlicht.
    Colombina nickte. Dann brach sie in Tränen aus und barg das Gesicht in den Händen, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. »Sie ist krank, Ginevra«, schluchzte sie. »Und sie weiß es, aber sie spricht nicht darüber. Warum sagt sie niemandem, dass sie im Sterben liegt? Und warum sieht es keiner?«
    Beide hatten die Familie Vespucci getrennt voneinander besucht und nach Simonetta geschaut, die seit ein paar Tagen das Bett hüten musste. Ihr Husten war schlimmer geworden, und inzwischen spuckte sie Blut. Dennoch schien ihre Familie nicht zu merken, dass Simonetta schwer krank war. Sie behandelten sie, als wäre es nur eine Unpässlichkeit, wie sie bei Simonettas schwacher Konstitution zu erwarten war.
    »Weil sie es so gut verbirgt. Und Simonetta ist so schön, dass Schatten in ihrem Gesicht ihre Haut nur umso leuchtender erscheinen lassen. Zwar mögen ihre Augen vor Fieber glänzen, aber dadurch wird deren ungewöhnliche Farbe nur noch mehr hervorgehoben.«
    Colombina nickte. »Ich weiß nicht, wie wir es Sandro beibringen sollen. Oder Lorenzo und Giuliano. Sie werden ebenso verzweifelt sein wie alle anderen. Doch anders als wir sind sie nicht darauf vorbereitet. Sie wissen zwar, dass Simonetta anfällig ist, aber ich glaube nicht, dass einer von ihnen tatsächlich begriffen hat, dass wir sie verlieren werden.«
    »Und das schon bald.« Ginevra schauderte.
    »Ich muss sie unbedingt noch einmal in die Arme nehmen und ihr sagen, dass sie meine Schwester ist«, sagte Colombina. »Ich muss ihr zeigen, wie sehr ich sie liebe.«
    »Dann ist es besser, wenn du sofort zu ihr gehst. Denn ich fürchte, es bleibt nicht mehr viel Zeit. Vielleicht sollten wir einen Boten zu Lorenzo und Giuliano schicken. Sie möchten Simonetta bestimmt auch noch ein letztes Mal sehen.«
    Colombina erbleichte. »O Gott, sie sind ja gar nicht in der Stadt! Sie sind geschäftlich nach Pisa gereist. Aber in wenigen Tagen kommen sie zurück. Ich schicke so schnell wie möglich einen Boten. Du glaubst doch nicht, dass wir Simonetta so bald schon verlieren? Oh, bitte sag das nicht!«
    Ginevra, normalerweise ein Fels in der Brandung, brach in Tränen aus. Simonetta war ihr wie eine kleine Schwester, die sie im Laufe der Jahre immer mehr ins Herz geschlossen hatte. Siezu verlieren stellte alles infrage, woran sie glaubte. Was hatte Gott sich dabei gedacht, der Welt solche Schönheit zu schenken und sie dann einfach wieder fortzunehmen?

    Der Bote, den Colombina zu Lorenzo und Giuliano schicken wollte, ritt den langen Weg nach Pisa mit der Nachricht, die sie am meisten gefürchtet hatte: Simonetta Cattaneo de Vespucci war noch am gleichen Tag verstorben, am 26. April 1476. Niemand hatte ihr Lebewohl sagen können.
    An diesem Abend machten Lorenzo und Giuliano einen langen Spaziergang. Sie sprachen über Simonetta und teilten ihre Trauer über den Tod der jungen Frau, die sie alle mit ihrer Reinheit und Lieblichkeit berührt hatte. Alle hatten sie von ganzem Herzen geliebt; sie war für alle im Orden die kleine Schwester geworden.
    »Der sechsundzwanzigste April. Er wird in unserer Welt immer ein Tag der Trauer sein, Giuliano. Wir müssen ihr an diesem Tag stets die Ehre erweisen.«
    Giuliano nickte und deutete gen Himmel. »Siehst du ihn? Den Stern, der heller strahlt als die anderen? Ist das die Venus?«
    »Vielleicht«, antwortete Lorenzo. »Oder unsere Simonetta ist bei Gott, und das Licht ihrer Seele hat sich mit dem Stern vermischt, um etwas so Reines und Strahlendes hervorzubringen, wie sie es war.«
    »Ich werde niemals deine Gabe der Poesie besitzen, Bruder. Ich kann nur sagen, dass ich sie geliebt habe und sie vermissen werde, und ich bete, dass sie nun von derselben Schönheit und Anmut umgeben sein möge, die sie uns geschenkt hat.«
    Lorenzo lächelte dem Jüngeren zu. »Wer sagt, dass du kein Dichter bist?«
    Als er in dieser Nacht in sein Gemach zurückkehrte, weinte Lorenzo über den Tod der schönen kleinen Schwester. Undweil Angelo ihn stets dazu anhielt, nutzte er den Schmerz, um einen Vers zu schreiben, der zu einem Lieblingsgedicht der Toskaner werden sollte: Oh Chiara Stella – Oh geliebter Stern.
    Simonetta war nun ein Teil des Himmels.

    Die Beerdigung von Simonetta Cattaneo de Vespucci war

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