Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Zukunft des Ordens.
Die Zeit kehrt wieder.
Jahrelang hatten Lorenzo und ich über die Vorzüge eines Meisterwerks gesprochen, das alle unsere Lehren enthalten sollte, ein Werk, das wir »Die Zeit kehrt wieder« nennen wollten. Es würde sehr groß sein müssen, da wir so viele Gedanken hineinbringen wollten, und so gab Lorenzo schließlich ein Fresko in Auftrag, das den größten Teil der Wand in seinem Arbeitszimmer bedecken sollte.
Die Schwangerschaft Colombinas regte das Bild an. Denn Colombina war unglaublich schön in ihrer Fülle, die Essenz der voll erblühten Muttergöttin. Als ich sie zeichnete, weinte ich über die Schönheit, die im Zustand werdender Mutterschaft so offenkundig ist. Deshalb stellte ich Colombina als weiblichen Aspekt Gottes in die Mitte meines Werkes. Nun mögt ihr sie nennen, wie ihr wollt, es ist gleich. Sie ist Venus, sie ist Ashera, sie ist unsere große Mutter, die uns führt und nährt. Sie ist die Göttliche Schönheit. Ich habe sie in den roten Umhang Unserer Lieben Frau Magdalena gehüllt, der mit den Brillanten der göttlichen Vereinigung bestickt ist. An den Füßen trägt sie die Sandalen, von denen im Hohelied die Rede ist: »Wie schön sind deine Schritte in den Sandalen, du Edelgeborene«, sagt der heilige Bräutigam zu seiner ewigen Braut.
Unsere Liebe Frau waltet über den Kreis der Seelen, die die Schönheit der irdischen Liebe erfahren, bevor sie in den Himmel aufsteigen zur göttlichen Liebe und wieder zurückkehren auf die Erde, wo der Kreislauf von Neuem beginnt. Der Garten unserer Madonna ist üppig und magisch, voller Symbole der Medici und der Blumen und Pflanzen, die in unseren geliebten Gärten in Careggi wachsen. Sie segnet uns mit ihrer Rechten und lenkt gleichzeitig unsere Aufmerksamkeit auf die drei Grazien, die den Tanz des Lebens tanzen und die irdische Liebe in ihren drei Erscheinungsformen feiern: Reinheit, Schönheit, Freude. Die Reinheit oder Keuschheit soll und darf nicht bleiben, sobald wahre Liebe sich einstellt; deshalb schwebt Amor über der Szene und hält seinen Liebespfeil auf die Keuschheit gerichtet. Denn bald schon wird sie sich zu Schönheit und Freude wandeln, während sie den dreifachen Zirkel der Liebe durchläuft.
Natürlich habe ich für das Gemälde meine Skizzen von Ginevra, Simonetta und Colombina benutzt, die ich an dem Abend zeichnete, als alle drei in der Antica Torre tanzten.
Eine weitere Skizze, die ich für dieses Bild unserer geistigen Familie benutzt habe, war die unseres Angelo am Tag seiner Ankunft in Careggi. Ihn habe ich als Hermes dargestellt, der die Dinge gehörig für uns durcheinanderwirbelte. Ich nahm die Essenz Angelos, jedoch das Gesicht und die Gestalt Giuliano de’ Medicis, der ein schöneres Modell für einen Gott abgibt. Merkur / Hermes wirbelt das Wetter auf; zugleich ist er Mittler zwischen Himmel und Erde. Er ist die Verkörperung seiner eigenen Lehren der Smaragdtafel: Was unten ist, das ist gleich dem, was oben ist, und was oben ist, das ist gleich dem, was unten ist, auf dass von gesamter Hand ein Ding hervorgebracht wird, das voller Wunder ist.
Aber was ist dieses »eine Ding«? Es ist die Erschaffung des Himmels auf Erden, indem wir die Schönheit in allen ihren Erscheinungsformen verehren, durch den Schleier der Liebe. Dies ist der Rechte Weg.
Auf der rechten Seite des Bildes habe ich der Smaragdtafel des Hermes weiteren Tribut gezollt, indem ich die Windgottheit Zephyr malte. »Der Wind hat ihn in seinem Leib getragen« ist eine Allegorie für das Wunder des Lebens, das die Seele zur Erde zurückbringt. Hier gebiert Zephyr Chloris, seine wahre Liebe. Die griechischen Meister lehrten, dass Zephyr und Chloris von den Göttern erschaffene Zwillingsseelen waren, die gemeinsam über das Wetter herrschten. Deshalb benutzte ich sie zur Veranschaulichung des Gedankens, dass der eine Zwilling den anderen gebiert, denn dies ist das Wesen der Vereinigung der wahren Liebenden. Sie werden wiedergeboren. Chloris durchlebt den Übergang vom himmlischen zum irdischen Reich und wird am Ende als Flora wiedergeboren; damit zeigt sie den gesamten Kreis der Inkarnation, denn nun findet sie ihre Bestimmung als sich selbst erkennende Frau. Flora ist Anthropos, sie ist Humanitas, sie ist alles, was schön ist an den Menschen aus Fleisch und Blut. Die Blumen in ihrer Schürze auf Höhe ihres Schoßes zeigen Fruchtbarkeit an, denn sie birst vor Leben. Sie streut Blumen aus, verteilt Freude und feiert die Schönheit
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