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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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in ihrer erhabensten Form.
    Mein Modell für Flora konnte nur Simonetta sein, wer sonst. Wie jedes Mal beflügelte mich ihre zarte Schönheit. Ich habe mir jedoch ein paar künstlerische Freiheiten mit ihrer Gestalt erlaubt, habe sie voller und lebenssprühend gemacht, denn ich hoffe, dass mein Gemälde die Alchemie heilender Magie anregt, sodass unsere Schönste zu einem ebenso strahlenden Bild von Gesundheit wird. Aber leider musste sie schon nach wenigen Stunden, in denen sie mir Modell saß, wieder zu Bett gehen. Sie ist noch schwach, aber unsere Hoffnung für sie ist so ewig wie der Frühling in meinem Gemälde.
    Und so habe ich das Meisterwerk meines Lebens vollendet, das Bild, in das ich mein ganzes Herz und meine ganze Seele gelegt habe. Es stellt meine geliebtesten Menschen dar und die Lehren, die ich zutiefst verehre. Lorenzo war glücklich über das Bild. Er freute sich mehr, als ich es je bei ihm gesehen habe. Er ließ es sogleichin sein Arbeitszimmer bringen und sagte mir, nichts und niemand habe ihm jemals ein solches Verständnis von Schönheit nahebringen können wie Colombina.
     
    Euer ergebener
    Alessandro di Filipepi, genannt »Botticelli«
     
    Aus den geheimen Memoiren des Sandro Botticelli

Kapitel dreiundzwanzig
    Florenz
    Gegenwart
     
    W a s ist Genie?«, fragte der Meister, als sie auf der Dachterrasse saßen und Chianti tranken. »War Leonardo ein Genie, nur weil er andere Künstler in technischer Hinsicht übertroffen hat? Macht ihn das zu einem Genie? Sicher, er besaß geistige Fähigkeiten, die selten zu finden sind, egal in welcher Epoche der Geschichte. Vielleicht reichen diese Fähigkeiten aus, um als Genie bezeichnet zu werden.«
    Da sie vor ein paar Tagen erst die Botticelli-Leonardo-Kontroverse in den Uffizien geführt hatten, war keiner der Anwesenden geneigt, sich für das Genie Leonardo einzusetzen. Petra meinte: »Kein Mensch ist bedeutend geworden, indem er nur seinen Verstand benutzt hat. Auch das Herz muss seinen Beitrag leisten.«
    »Wahr gesprochen. Leonardos Arbeit war sporadisch und unvollständig. Die meisten Werke, die er begann, konnte er nicht vollenden; dennoch spricht bis heute niemand über diese Seite seines Charakters. Lässt ein wahres Genie oder ein bedeutender Meister die Mehrzahl seiner Projekte im Stich, lange vor ihrer Vollendung? Ich glaube nicht. Leonardo reichte nicht an die Schaffenskraft eines Ghirlandaio oder eines Botticelli heran; dennoch wird ihm mehr Genie zugesprochen als den beiden zusammen. Mehr noch – er wird als das Universalgenie der Renaissance gefeiert. Eine der bemerkenswertesten Ungerechtigkeiten der Geschichte.«
    »Wie ging die Geschichte zwischen Leonardo und Lorenzo weiter?«, fragte Maureen.
    Destino setzte seinen Bericht fort. »Lorenzo hielt sein Versprechen wie stets – in diesem Falle mir und Leonardo gegenüber – und erlaubte Leonardo, einige Jahre in Florenz zu bleiben, obwohl er nie wirklich produktiv für die Medici war und nie Kunst schuf, die wir im Orden gebrauchen konnten. Leonardo hatte allen Grund, die Medici zu lieben, doch er konnte sein Herz nie dazu überwinden. Irgendwann wurde deutlich, dass Leonardo regelrecht bösartig war. Selbst Andrea, der ihn jahrelang verteidigt hatte, konnte die boshaften Bemerkungen nicht mehr ertragen, die Leonardo regelmäßig von sich gab. 1482 schließlich wurde es notwendig, ihn ein für alle Mal aus Florenz zu entfernen. Wir schickten ihn nach Mailand, als Geschenk an die mächtige Sforza-Familie. Sie wurden dadurch zu lebenslangen Verbündeten Lorenzos, da er ihnen seinen bedeutendsten Künstler geschenkt hatte.«
    »Und das ist das Ende der Geschichte?«, erkundigte sich Peter.
    Destinos Augen umwölkten sich, denn nun kam der beunruhigende Teil seiner Erinnerung. »Ich fürchte, nein. Jahre später – viel zu spät – entdeckten wir, dass Leonardo der Feind in unserer Mitte gewesen war. Er war ein Agent Roms und verriet dem Vatikan Geheimnisse unseres Ordens. Was seine Motive waren, werde ich niemals mit Sicherheit ergründen können. Ob er es für Geld tat oder aus Gehässigkeit, ob es aufgrund irgendwelcher wahnhafter Überzeugungen geschah und in der Absicht, unseren Orden zu vernichten, vermag ich bis heute nicht zu sagen. Vielleicht ist dies das Genialste an Leonardo: dass er ein gewaltiges Rätsel ist und bleibt.
    Leonardo da Vinci ist für uns alle eine wichtige Lektion. Jahrelang tat ich Buße für jene Nacht, in der ich darauf bestand, dass Lorenzo ihn behielt.

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