Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
ein Vögelchen mit langem schwarzem Haar, trat vorsichtig auf Argo zu. Sie streckte den Arm aus, um die samtige Nase des Hengstes zu berühren, während Lorenzo ihn hielt. Einen Moment später richtete sie ihre dunklen Augen auf Lorenzo.
»Bist du gekommen, um das Kleine zu sehen?«
Lorenzo nickte. »Ist es denn geboren?«
Wieder lächelte das Mädchen, begierig, über den Neuankömmling zu sprechen. »Heute Morgen. Ich hab’s nur einen Augenblick gesehen. Es war ganz blutig und klebrig, aber es hat laut geschrien, und Mutter sagte, das ist gut. Fioretta hat geschlafen, also bin ich rausgegangen.«
Das Knarren einer Tür erschreckte sie beide. Eine ältereFrau rief dem Mädchen mit drängender Stimme zu: »Gemma! Mit wem redest du da …?« Die Stimme der Frau erstarb, als sie das Gesicht des Besuchers erblickte. Da stand der berühmteste Mann von Florenz, hier, in ihrem Garten.
»Il Magnifico …« Die Frau wischte sich die Hände an der Schürze ab, die vom Blut der Geburt beschmiert war, rührte sich aber nicht von der Stelle. Sie wirkte bestürzt, als sie stammelte: »Ich … oh! Seid Ihr gekommen, um das Kind mitzunehmen?«
Lorenzo war nicht sicher, wie sie das meinte. Er antwortete schlicht: »Ich bin gekommen, um Fioretta zu sehen und ihr von meinem Bruder zu bestellen, dass er sie liebt. Er wollte heute Morgen herüberreiten, ist aber vom Pferd gestürzt.«
Die Frau hob die Hände vors Gesicht. »Ist er …?«
»Nein, Madonna Gorini. Er ist voller Schrammen und hat sich den Kopf angeschlagen, scheint sich aber gut zu erholen. Knochen sind keine gebrochen. Aber er ist sehr besorgt, weil er nicht weiß, wie es Fioretta und seinem Kind geht.«
Die Frau öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brach stattdessen aber in Tränen aus. Dann kam sie auf Lorenzo und seinen Hengst zu. »Oh, Magnifico, bitte, vergebt mir. Ich … ich habe Fioretta gesagt, dass Euer Bruder nicht kommen würde … dass er sich nicht um ein armes Schäfermädchen und ihren Bastard kümmern würde. Ich wollte nicht, dass sie hofft, die Medici würden sich mit Leuten wie uns abgeben …«
Lorenzo band Argos Zügel an einem Zaunpfahl fest und legte Fiorettas Mutter tröstend eine Hand auf die Schulter. »Er kümmert sich sehr. So wie wir alle.«
Nun schluchzte die Frau. »Dann habe ich Euch vor dem Tor gesehen und dachte … lieber Gott, jetzt ist er gekommen, um Fioretta das Kind wegzunehmen. Das wird sie umbringen. Und die Geburt war schon schwer genug. Sie ist ganz schwach.«
Nun war es an Lorenzo, erschrocken zu sein. Es war ihm noch nicht in den Sinn gekommen, dass Fioretta durch die Geburt gelitten haben könnte. »Geht es ihr nicht gut?«
»Sie hat viel Blut verloren, und das Kind ist groß und schwer. Ihr Medici seid alle so riesig, und meine Fioretta ist so zart …« Einen Moment erinnerte sich Lorenzo an die Geburt seines eigenen Kindes vor drei Jahren. Es hatte seiner zarten Mutter ebenfalls zu schaffen gemacht. Wochenlang hatte er sich gesorgt, ob Colombina sich von der Geburt erholen würde.
»In unserem Haus in Fiesole sind zurzeit zwei Ärzte. Ich werde beide sofort zu Fioretta schicken. Ist sie denn kräftig genug, dass ich mit ihr sprechen kann? Und darf ich das Kind sehen?«
Madonna Gorini nickte, wobei sie sich nervös die Hände an ihrer Schürze abwischte. Dann führte sie Lorenzo den Prächtigen in die winzige Schäferkate, in der sie mit ihren geliebten Töchtern lebte.
Lorenzo streckte die Arme nach dem kleinen Bündel aus und lachte vor Freude, als ihm das Kind gereicht wurde. »Er ist Giuliano wie aus dem Gesicht geschnitten! Hat er ein Glück! Er hat das Beste der Medici mitbekommen.« Lorenzo nannte sich selbst stets den hässlichen Medici, während Giuliano der schöne war. Dennoch war das Kind unverkennbar ein Medici: Es hatte ausgeprägte Gesichtszüge, eine lange Nase, durchdringende dunkle Augen und einen schwarzen, glänzenden Haarschopf.
Eine leise Stimme aus dem Nebenzimmer riss Lorenzo aus seiner Verzückung.
»Giuliano?«
Die Stimme klang schwach und müde. Und hoffnungsvoll.
Lorenzo schaute Madonna Gorini an, die ihm das Kind abnahm und ihm bedeutete, in die Schlafkammer zu gehen und mit Fioretta zu sprechen.
»Ich muss Euch leider enttäuschen.« Mit einem Lächeln trat er ins Zimmer. Dies war vermutlich die einzige Frau in Florenz, die enttäuscht war, dass Lorenzo de’ Medici ihr Schlafgemach betrat.
»Oh!« Fioretta versuchte sich aufzusetzen. »Lorenzo! Ich …« Ermattet sank
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