Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Liebenswürdigkeit und war ein so untadeliger Gastgeber. An jenem Abend in Caffagiolo erlebte Montesecco, wie Lorenzo mit seinen Kindern spielte, Zuneigung zu seinem geliebten Bruder bekundete, seine Mutter mit ausgesuchter Liebe und Respekt behandelte und nicht zuletzt einen ganzen Haushalt voller Gäste und Diener ohne erkennbare Anstrengung im Griff behielt. Immer wieder im Laufe des Abends musste der Condottiere sich ermahnen: Dieser Mann ist dein Feind. Seine Schwachstelle ist seine Familie. Er hat hier keine Waffen zur Hand. In seinem eigenen Heim fühlt er sich sicher. Also wäre es am einfachsten, ihn und seinen schüchternen jüngeren Bruder Giuliano hier in der trügerischen Sicherheit ihres Heims zu ermorden. Wenn ein festliches Abendessen gegeben wurde, konnte Montesecco ohne Weiteres Waffen einschmuggeln; das hatte er am heutigen Abend gesehen.
Doch ungeachtet aller Pläne konnte Montesecco sich eines gewissen Bedauerns nicht erwehren, dass ausgerechnet er ausgewählt worden war, um einen solchen Mann zu töten. Lorenzo steckte voller Humor; er war zugänglich und ein brillanter Gesprächspartner. Wenn er vom Volk von Florenz sprach, dann nicht mit Hochmut oder Verachtung, sondern mit wahrer Anteilnahme, sogar Liebe. Kurz gesagt, er verdiente den Titel, den die Menschen ihm verliehen hatten.
Lorenzo war Il Magnifico.
Montesecco war Soldat und Söldner, und diese Verquickung von Gehorsam und Materialismus löste in ihm ungewohntes Bedauern aus, Lorenzo töten zu müssen. Doch er musste sein Vorhaben fortsetzen und tun, was sein Papst ihn geheißen hatte, um einen Regierungswechsel in Florenz herbeizuführen. Und dies konnte nur durch die Ausschaltung Lorenzo de’ Medicis und seines Bruders geschehen.
In Hause der Pazzi wurden mehrere Versammlungen abgehalten, bei denen der alte Patriarch Jacopo den Vorsitz führte. Er hatte sich einem Mord aus Gründen persönlichen Profits so lange widersetzt, bis Montesecco ihn davon überzeugen konnte, dass das Vorhaben den Segen des Papstes habe. Das bewies allein schon die Stärke der Truppen, die nach Florenz verlegt wurden; man war sicher, dass es kurz nach dem Staatsstreich in der Stadt Aufstände geben würde.
Jacopo de Pazzi gab schließlich nach und beteiligte sich an dem Komplott. Zwar war er von Mord nicht gerade begeistert, doch immerhin charakterlos genug, um mitzumachen, wenn die Verschwörung tatsächlich vom Papst abgesegnet war. Der Tod der Medici-Brüder würde den Pazzi erlauben, die größten und wichtigsten Banken in Italien zu übernehmen und sich in Florenz als »Befreier« zu etablieren. Jacopo ließ sich sogar von seinem NeffenFranceschino überzeugen, dass sie diesen Titel verdienten. Das Volk von Florenz würde sicherlich merken, dass es unter dem Joch eines Despoten gelitten hatte, sobald es von dessen Tyrannei befreit war.
Jacopo war dann sogar der Erste, der einen Plan vorschlug, wie die Ermordung der Brüder Medici zu bewerkstelligen wäre. Seiner Meinung nach war es viel effektiver, Lorenzo in Rom zu ermorden; zudem würde auf diese Weise die Gefahr eines Aufstands in Florenz verringert. Und wenn die Brüder getrennt und zwei Gruppen von Attentätern geschickt wurden, war ein Fehlschlag fast ausgeschlossen. Dummerweise schlug Lorenzo sämtliche Einladungen zu einem Besuch in Rom aus. Er hatte zu viele Geschäfte und keine Zeit für einen Besuch in der südlichen Stadt, die er ohnehin ziemlich langweilig fand.
Da ein getrenntes Zuschlagen damit gescheitert war, brachte Montesecco erneut seine Beobachtung zur Sprache, dass die Medici auf ihrem heimatlichen Territorium völlig ungeschützt waren. Er schlug vor, beide Brüder während eines Festes in einem ihrer Landhäuser umzubringen. Da er Lorenzos Ruf als Gastgeber kannte, seine Gastfreundschaft sogar am eigenen Leib erfahren hatte, empfahl Montesecco, den Anschlag dann zu verüben, wenn die Medici eine große Anzahl Gäste bewirteten.
Diesmal war es der zuvor so widerwillige Jacopo de Pazzi, der den passenden Anlass fand. Er schlug vor, man solle den jüngsten Papstneffen, den siebzehnjährigen Raffaelo Riario, nach Florenz einladen, um seine kürzlich erfolgte Ernennung zum Kardinal zu feiern. Dieser Titel war für einen so jungen Mann nachgerade lächerlich, doch offenbar war es unmöglich, ein Neffe von Sixtus IV. zu sein und diesen Titel nicht zu besitzen. Raffaelo studierte an der Universität zu Pisa und befand sich somit bereits in der Toskana. Außerdem war er zu jung
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