Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Scheide zu ziehen.
Gemeinsam mit dem Erzbischof entwarfen die beiden Priester einen glänzenden Plan, der ihnen den Erfolg sichern sollte. Das Zeichen zum Angriff auf die Brüder Medici würde während der Messe gegeben werden, wenn vor der Kommunion die Hostie auf dem Altar erhoben wurde. Zum einen war es ein unübersehbares, von Glockenschlägen untermaltes Zeichen, und zum anderen würden die frommen Florentiner in diesem Augenblick ins Gebet vertieft sein und nicht hochschauen. Somit hätten die Attentäter Zeit, von hinten zuzustechen, ohne dabei beobachtet zu werden. Zwei Dolche, blitzschnell in Lorenzos Hals gebohrt, mussten den Erfolg gewährleisten.
Dass nun bereits zwei Priester und ein Erzbischof im Dienste des Papstes einen blutigen Mord am Ostersonntag planten – zumal genau in dem Augenblick, in dem die heilige Hostie erhoben würde –, plagte das Gewissen der Verschwörer keineswegs.
Und niemand fand es auch nur im Mindesten widersprüchlich, dass der einzige Mann, der die Verschwörung als Teufelswerk bezeichnet hatte, der Berufsmörder war.
RRRRRRRRRRRRR
Palazzo Medici, Florenz
25. April 1478
Lorenzo grinste breit, als Giuliano in sein studiolo humpelte.
»Er lebt! Er humpelt!« Lorenzo erhob sich hinter seinem Schreibpult und ging auf den Bruder zu, um ihn herzlich zu umarmen. »Wie geht es dir?«
»Viel besser. Tut noch ein bisschen weh. War ein schönes Stück Arbeit, die Treppe hinunterzukommen. Es wird noch ein wenig dauern, bis ich mich wieder ganz heil fühle, aber im Großen und Ganzen bin ich auf dem Weg der Besserung.«
Giuliano hielt inne. Lorenzo fiel auf, dass seine Augen nicht nur von der Entzündung gerötet waren, sondern auch unnatürlich glänzten. Sorgen keimten in ihm auf, und er fühlte dem kleinen Bruder die Stirn. »Hast du Fieber? Tun die Augen noch weh?«
Giuliano lachte und schob die Hand des Bruders fort. Humpelnd begab er sich zu der roten Polstersitzbank, die einst unter Botticellis Meisterwerk »Die Zeit kehrt wieder« gestanden hatte. »Nein, nein. Die Augen heilen auch. Ich wollte dir etwas anderes sagen, Bruder. Ich komme soeben aus der Kapelle, wo ich in der letzten Stunde vor unserem Libro Rosso gebetet habe, wie du mir empfohlen hast. Ich habe den Engeln zugehört, und sie haben zu mir gesprochen. Sie raten mir, Fioretta zu heiraten, meine wahre Liebe zu wählen. Mein Kind anzuerkennen und es als mein eigenes großzuziehen.«
Lorenzo spürte, wie sich ein Kloß in seiner Kehle bildete. Er musste sich sammeln, bevor er etwas sagen konnte. »Ich bin ja so froh, das zu hören! Und ich glaube, die Engel haben dir die Wahrheit gesagt. Was sonst sollten Engel auch sagen, als dass die Liebe alles besiegt?«
»Aber das Beste hast du ja noch gar nicht gehört! Du wirst es nicht glauben, es ist ein Wunder. Mutter … sie hat nichtsdagegen! Sie hat vor der Kapelle gewartet, bis ich mein Gebet beendet hatte. Dann hat sie mir gesagt, dass sie ihr Herz befragt habe und nur mein Glück wolle. Kannst du dir das vorstellen? Ich werde Fioretta heiraten!«
Lorenzo umarmte seinen kleinen Bruder innig. Für einen Augenblick waren sie wieder Kinder: unschuldige, glückliche Kinder, die ihre Rollen des beschützenden Älteren und des verzärtelten Kleinen spielten. Tränen standen in Lorenzos Augen, als er sich von Giuliano löste.
»Ich freue mich sehr für euch! Ich kann mir gut vorstellen, was Fioretta fühlt, wenn du es ihr sagt.«
»Ich werde ihr morgen den Antrag machen, wenn es meinen Augen besser geht. Das wird ihr Ostergeschenk sein. Gleich morgen reite ich als Erstes nach Fiesole und überrasche sie und meinen Sohn.«
»Du gehst morgen nicht zum Hochamt? Der junge Kardinal wird dort sein, und er ist der Neffe des Papstes. Er hat eigens nach dir gefragt, weil du morgen Abend schon nicht auf dem Bankett sein wirst.«
Giuliano dachte einen Moment nach. »Vielleicht komme ich zum Hochamt und reite anschließend nach Fiesole. Mal sehen, wie es mir geht. Ich weiß nicht, ob mein Bein den Marsch zum Dom und zurück aushält. Vielleicht kann ich danach nicht mehr reiten. Aber jetzt muss ich mir Kompressen auf die Augen legen, die ich vom Arzt bekommen habe. Dann kann ich das seligste Osterfest meines Lebens feiern!«
RRRRRRRRRRRRR
Florenz
Ostersonntag 1478
Der Dom füllte sich bereits Stunden vor dem Hochamt, weil jeder versuchte, einen guten Platz zu ergattern. In den vorderenReihen waren Sitze für die Elite der Stadt reserviert, allen
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