Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Magnifico zu schützen. Bis zu diesem Augenblick war es keinem in den Sinn gekommen, Giuliano könnte ebenfalls Ziel des Angriffs sein. Wer sollte dem unpolitischen, liebenswürdigen Giuliano etwas antun wollen? Das ergab keinen Sinn. Im Augenblick hatte Lorenzos Gefolge auch keine Zeit, sich mit Giuliano zu befassen. Lorenzos junger Freund Antonio Ridolfi saugte die Wunde aus. Wenn die Angreifer wirklich erfahrene Meuchelmörder waren, hatten sie ihre Dolche mit Gift präpariert, und Ridolfi war bereit, an dem Gift zu sterben, wenn er damit den Prächtigen rettete. Eines Tages würde Florenz ihm für sein Opfer vielleicht dankbar sein.
»Giuliano …« Lorenzo war vom Blutverlust schon sehr geschwächt, und Angelo versuchte, ihn ruhig zu halten, während er seinen Umhang für einen provisorischen Verband benutzte. »Ist er in Sicherheit?« Lorenzo war außer sich vor Sorge. Er musste wissen, ob seinem Bruder etwas geschehen war.
Ein anderer langjähriger Weggefährte der Medici, Sigismondo Stufa, kletterte auf eine Leiter und spähte durch ein Guckloch auf der Chorempore, um einen Überblick über das Chaos im Domzu gewinnen, das den Ostersonntag in ein Blutbad verwandelt hatte. Irgendjemand schrie, die Kuppel werde jeden Moment einstürzen, und nun trampelten die Menschen sich gegenseitig zu Boden, als sie in Panik versuchten, aus dem Dom zu fliehen. Sigismondo brauchte einige Zeit, bevor er das Schreckliche sah, das ihn für den Rest seines Lebens in Albträumen heimsuchen sollte.
Giuliano de’ Medici lag leblos auf dem Kirchenboden, beinahe unkenntlich in einer Lache aus seinem eigenen Blut. Er war buchstäblich zerstückelt worden, hatte neunzehn bestialische Stiche erhalten.
Doch zum Trauern war keine Zeit. Niemand wusste, wer die Angreifer waren oder um wie viele es sich handelte. Lorenzo musste in Sicherheit gebracht werden. Wenn er erfuhr, dass Giuliano auf dem kalten Stein der Kirche förmlich abgeschlachtet worden war, würden sie ihn nie aus dem Dom hinausbekommen. Sigismondo gab an, Giuliano von der Chorempore aus nicht gesehen zu haben, und wiegte Lorenzo damit in der falschen Hoffnung, sein Bruder sei entkommen. Diese Lüge brach Sigismondo schier das Herz, doch nur so konnte er dafür sorgen, dass Lorenzo den Dom verließ und so rasch, wie sie ihn tragen konnten, in die Sicherheit seines Palazzo gelangte.
Später würde Sigismondo behaupten, er habe nicht gelogen, als er behauptet hatte, Giuliano nicht gesehen zu haben. Denn in jenem schrecklichen Augenblick konnte er sich unmöglich vorstellen, dass diese grässliche Masse aus Fleisch und Blut sein bester Freund aus Kindertagen sein sollte. Nein, dieses blutige Bündel konnte nie und nimmer Giuliano de’ Medici sein. Auf keinen Fall.
Der zweite Akt der Pazzi-Verschwörung begann damit, dass Erzbischof Salviati und Jacopo Bracciolini zur Signoria marschierten, um ihren Coup zu landen. Unterwegs schloss sich ihnen eineHorde skrupelloser Söldner aus Perugia an. Das Herannahen dieses bunten Haufens bewirkte, dass sich den Ratsherren der Signoria die Nackenhaare sträubten, obwohl das Gesindel von einem Erzbischof angeführt wurde. Der derzeitige Gonfaloniere, der Stadtherr, war ein strenger und furchtloser Mann namens Cesare Petrucci. Er saß gerade zu Tisch, als Erzbischof Salviati mit seiner Meute erschien und eine Audienz verlangte. Der kluge Petrucci ließ sie zwar eintreten, trennte dann aber Salviati und Bracciolini von den Perugianern, indem er darum bat, die »Ehrengarde« möge im angrenzenden Raum warten. Was der Erzbischof nicht wusste: Die Kammer, in die man die Söldner nötigte, war eine getarnte Arrestzelle, und es gab keine Möglichkeit, daraus zu entfliehen, falls nicht ein Mitglied der Signoria die Tür aufschloss.
Erzbischof Salviati teilte Petrucci mit, er habe eine Botschaft des Papstes zu überbringen. Er begann eine ziemlich unsinnige Rede über die Befreiung der Stadt Florenz vom Stapel zu lassen, verhaspelte sich aber zusehends, weil er so nervös war. Da hatte Petrucci aber schon genug gehört. Worte wie »Umsturz« und »Tyrann« ließen ihn erkennen, dass sich Unheil zusammenbraute. Außerdem herrschte Unruhe auf der Piazza della Signoria, und er hörte bereits den Tumult auf den Straßen. Petrucci rief nach den Wachen … und wurde genau in diesem Augenblick von Bracciolini angegriffen, der sein Schwert ein wenig ungeschickt und langsam zog.
Petrucci war ein kräftiger Mann und erfahrener Krieger. Er brauchte
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