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Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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besetzt. Giuliano würde weiter hinten sitzen müssen. Sein Bruder entdeckte ihn und zog eine Augenbraue hoch – eine stumme Frage, was er hier in der Kirche zu suchen hatte. Giuliano zuckte bloß die Achseln und zeigte auf de Pazzi. Lorenzo lächelte und winkte, als wollte er sagen: »Darüber reden wir später.« Dann wandte er den Blick wieder ab und machte Anstalten, seinen Platz einzunehmen. Er rückte Schwert und Scheide zurecht, sodass sie auf seinem Schoß zu liegen kamen und nicht an die Kirchenbank stießen. Während er dies tat, bemerkte er zwei Priester, die direkt hinter ihm saßen. Er kannte die beiden nicht, lächelte jedoch höflich und wünschte ihnen frohe Ostern, bevor er sich wieder dem Altar zuwandte. Leise raunte er Angelo zu, dass der Neffe des Papstes, der jüngst ernannte Kardinal Riario, auf seinem Platz am Altar sehr jung und sehr nervös wirke. Zweifellos hatte er noch nie ein Hochamt in einer so gewaltigen Kirche wie dem Dom Santa Maria del Fiore erlebt.
    Giuliano folgte Franceschino de Pazzi zur Nordseite der Kirche in die Nähe des Chors und setzte sich neben ihn. Er versuchte der Messe zu folgen, doch in Wahrheit konnte er nur an das bevorstehende Treffen mit Fioretta denken. Als die Glocke in der Sakristei läutete, um die Elevation der Hostie anzuzeigen, senkte er wie die meisten Gläubigen im Gotteshaus ehrfürchtig den Kopf.
    Giuliano de’ Medici, der eben beginnen wollte, zu seinem Herrn und Gott zu beten, hatte keine Chance. Franceschino de Pazzi stieß mit aller Macht zu. Er versenkte den Dolch beimersten Stich mit solcher Wucht im Hals des jungen Medici, dass er ihn förmlich entzweiriss.
    Blutdurst überkam Franceschino de Pazzi, und er begann in blinder Wut und vor Anstrengung keuchend auf Giuliano einzustechen. Er war so rasend, dass er einmal sogar danebenstach und sich selbst den Schenkel aufschlitzte.
    Mittlerweile war im Dom das Chaos ausgebrochen: Blut spritzte auf die Gläubigen, die in der Nähe des Chors saßen, Schreie ertönten, Menschen stoben auseinander. Gleichzeitig hatten die beiden Geistlichen Lorenzo angegriffen, doch der Attentäter-Priester Antonio Maffei hatte einen taktischen Fehler begangen: Während er den Dolch aus dem Ärmel seiner Robe riss, hielt er sich mit der anderen Hand an Lorenzo fest, um genügend Kraft in seinen Stoß legen zu können.
    Lorenzo de’ Medici besaß blitzschnelle, von jahrelanger Übung bei der Jagd und im Wettkampf geschärfte Reflexe. Als er eine Berührung im Rücken spürte, sprang er sofort auf, sodass Maffeis Stich einiges von seiner Kraft einbüßte. Zwar drang der Dolch in Lorenzos Hals, hatte aber keine tödliche Wirkung. Das Opfer konnte sein Schwert aus der Scheide ziehen und sich verteidigen, bevor der zweite Angreifer zuschlagen konnte.
    Für Angelo Poliziano war dies der Augenblick, in dem alles, was er war und je sein würde, in einem einzigen Punkt zusammenfloss. Sein Vater, die größte Quelle der Liebe und Weisheit in seinem Leben, war vor seinen Augen erstochen worden, als er noch ein Knabe war. Und nun wurde Lorenzo de’ Medici, eine noch größere Quelle der Liebe und Weisheit in Angelos Leben, ebenfalls von dolchschwingenden Mördern bedroht. Aber dieses Mal würde Angelo eingreifen.
    Er war kein großer Mann, und sein Leben als Dichter hatte ihm einen eher schwächlichen Körper verliehen, doch Angelo Poliziano besaß etwas anderes – Entschlossenheit. Er traf einen der Meuchelmörder so hart mit der Handkante, dass dieser das Gleichgewicht verlor; dann packte er mit der anderen Hand Lorenzo,um ihn aus der Reichweite der Angreifer zu zerren. Die beiden Priester, verwirrt und verängstigt von den raschen Reaktionen Angelos und Lorenzos, wirbelten herum und flüchteten aus der Kirche, bevor man sie aufhalten konnte.
    »Komm!«, rief Angelo seinem Freund über den Tumult hinweg zu. Lorenzo blutete stark aus seiner Halswunde. Seine Freunde zogen ihn rasch durch die schweren Bronzetüren in die Sakristei und schlugen möglichen weiteren Angreifern die Tür vor der Nase zu. Lorenzo war einen Moment lang wie betäubt; dann überkam ihn der Schock, und er rief lauthals nach seinem Bruder.
    »Hast du Giuliano gesehen?«, fragte er Angelo verzweifelt. Doch Lorenzos Freunde konnten keine Antwort darauf geben. Sein kleiner Bruder hatte weit hinter ihnen auf der linken Seite gesessen, zu weit entfernt, um zu erkennen, ob ihm etwas geschehen war. Überdies waren sie zu sehr damit beschäftigt gewesen, Il

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