Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Leute für den Nachmittag eingeladen, weil er ihnen etwas Wichtiges zeigen wollte. Er könne es nicht nach Florenz bringen, hatte er gesagt, aber es könne ihnen vielleicht helfen, nach den tragischen Ereignissen des Vormonats wieder Mut zu fassen. Zwei Wochen war es her, seit die Explosion Florenz erschüttert und Vittoria und Alexander verletzt hatte.
Und nun erzählte Destino seinen Gästen die erstaunliche Geschichte Savonarolas, weil er hoffte, diese merkwürdige Episode der Renaissance könne sie zerstreuen. Es war heilsam für Geist und Seele, sich in eine erfüllende Aufgabe zu stürzen; deshalb forderte Destino seine Zuhörer auf, die Bedeutung Savonarolas und die Gefahren des Fanatismus zu diskutieren. Es würde eine wichtige Lektion für die Zukunft sein.
»Um 1999 gab es in der katholischen Kirche Bestrebungen, Savonarola heiligzusprechen«, sagte Peter, als Destino geendet hatte.
»Jemand wollte diesen verrückten Mönch zu einem Heiligen machen?«, fragte Tammy ungläubig.
Peter nickte. »Ich weiß es deshalb noch so genau, weil mein Orden, die Jesuiten, so vehement dagegen war. In der Gesellschaft Jesu weiß man sehr genau, wer Savonarola gewesen ist. In der Geschichte gilt er heutzutage als großer Kirchenreformer, aber er war ein Tyrann, schlimmer als die Medici es waren oder als irgendein Herrscher von Florenz es je hätte sein können.«
»Er war ein Schurke, daran besteht kein Zweifel«, pflichtete Destino bei. »Ein Mörder. Ein Fanatiker und Narziss. Ihm ging es um die eigene Macht und sonst gar nichts. Und er hätte vor nichts Halt gemacht, um diese Macht zu erlangen.«
»Es gibt da eine Sache, über die ich mich immer gewundert habe, Destino«, schaltete Berenger sich ein. »In den Geschichtsbüchern steht, dass Sandro und Michelangelo Anhänger Savonarolas wurden und dass Sandro sogar einige seiner Bilder in den Fegefeuern verbrannte. Aber wenn man hört, wie sehr sie den Medici ergeben waren, ist das kaum zu glauben.«
»Die Geschichte behauptet auch, dass Maria Magdalena eine Dirne war«, stichelte Petra. »Was gewisse Zweifel an der Geschichtsschreibung erlaubt.«
»Michelangelo soll auf dem Sterbebett gesagt haben, er könne immer noch Savonarolas Stimme hören«, fuhr Berenger fort. »So langsam verstehe ich, wie das gemeint war.«
Destino nickte. »Michelangelo saß in der Kammer neben Lorenzos Sterbezimmer, ohne dass jemand davon wusste. Er hörte die schrecklichen Dinge, die Savonarola zu Lorenzo sagte … Wie er ihn beschimpfte und schwor, er werde Lorenzos Kinder vernichten. Savonarola war einfallsreich. Er begann ganz harmlos, indem er Lorenzo und sich Wein einschenkte und einen Trinkspruch ausbrachte. Dann sprachen sie über Florenz und über Dinge, diesie beide gut kannten und die ihnen Sorgen bereiteten. Lorenzo entspannte sich mehr, als ihm guttat. Erst als Savonarola sicher war, dass Lorenzo genug vergifteten Wein getrunken hatte, enthüllte er den wahren Grund seines Besuchs – dass er gekommen war, um den sterbenden Lorenzo zu quälen. Es war sadistisch. Böse.
Und das hat Michelangelo gemeint, als er als alter Mann sagte, er höre immer noch Savonarolas Stimme in seinen Ohren. Es ist bedauerlich, wie in der Geschichtsschreibung manchmal die Tatsachen verdreht werden. Michelangelos Bemerkung wurde dahingehend interpretiert, dass er ein Anhänger Savonarolas gewesen sei und dass dessen selbstgerechte Art zu predigen ihn immer noch beeindruckte. Aber nichts hätte der Wahrheit ferner sein können!«
»Was war denn nun mit Sandro Botticelli?«, fragte Maureen.
»Oh ja, Sandro. Diesen Teil der Geschichte muss ich noch erzählen.«
Kapitel vierunddreißig
Florenz, Piazza della Signoria
23. Mai 1498
P iagnoni! Piagnoni!« , höhnte die Menge, als die Flammen hoch aufloderten.
Sandro Botticelli hatte sich so nahe an die tobende Menge herangewagt, wie er sich traute. Er war als Mitläufer bekannt; deshalb war es in seinem eigenen Interesse, sich vom Mob fernzuhalten, bis die Hinrichtung vollzogen war. Später würde er seinen angeschlagenen Ruf in Florenz wieder zurechtrücken. Heute wollte er lediglich den Erfolg des seit fünf Jahren tobenden Kampfes genießen, indem er die Früchte seiner Arbeit betrachtete.
Colombina war nicht dabei, da es Frauen nicht gestattet war, bei Hinrichtungen auf der Piazza zugegen zu sein. Zu ihrem eigenen Schutz mussten sie am Rande des Geschehens bleiben, denn der Mob war gefährlich und gewalttätig; jeden Augenblick konnten
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