Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Goldflorinen hervor, der so viel wog wie das Lösegeld für einen König.
»Bist du einverstanden, Weib?«
Sie nickte stumm und streckte die Hand nach dem Beutel aus.
Savonarola ließ ihn zu Boden fallen und lachte, als die Münzen in alle Richtungen sprangen. Die Frau musste sie auf den Knien einsammeln.
»Lass das Mädchen in der Halle. Ich weise meine Mitbrüder an, sie zu den Pazzi zu bringen.«
Er verließ das Zimmer, ohne dem Kind oder der Mutter noch einen Blick zu gönnen. Das kleine Mädchen, dessen große Augen in seinem kurzen Leben schon zu viel Leid gesehen hatten, starrte vor sich hin. Hätte Savonarola noch einmal in diese Augen geblickt, wäre ihm vielleicht etwas Beunruhigendes aufgefallen: ein Glitzern, das auf beginnenden Wahnsinn hindeutete.
Colombina schwitzte, doch sie schuftete unbeirrt weiter mit ihren Piagnoni -Gefährten. Sie beluden Karren mit Gegenständen, die sie in den vergangenen Tagen für die Scheiterhaufen gesammelt hatten. Die Piagnoni hatten die ganze Toskana nach Luxusartikeln und anderem häretischem Brennstoff für Savonarolas Fegefeuer durchsucht. Jede Handschrift, die Colombina für das Feuer sammelte, drehte ihr den Magen um. Jedes Kunstwerk, das sie auf den Karren lud, ließ ihr Tränen in die Augen steigen. Doch sie durfte kein anderes Gefühl zeigen als Freude – die Freude darüber, dass diese schrecklichen Kränkungen Gottes nun den reinigenden Flammen überantwortet würden.
Fast fünf Jahre hatte es gedauert, bis Colombina und Sandro in die Reihen der Piagnoni aufgenommen wurden. Savonarola traute anfangs keinem von beiden, doch da sie sich zu den ergebensten Arbeitern unter seinen treuen Anhängern entwickelten und besonderen Eifer für die Fegefeuer an den Tag legten, war er bald überzeugt, dass sie es ehrlich meinten. Sandro Botticelli hatte sogar einige seiner hurenhaften Madonnen den Flammen übergeben, um seinen Eifer für die gerechte Sache unter Beweis zu stellen. Sowohl Sandro als auch Colombina galten mittlerweile als Führer unter den Piagnoni . Jeder Gegenstand, der ins Feuer geworfen werden sollte, ging durch ihre Hände.
Heute arbeiteten sie zusammen und bereiteten zu Ehren der Fastenzeit das bislang größte aller Fegefeuer vor – so riesig und beeindruckend, dass Savonarola selbst hinzukam und es begutachtete.
»Oh, schaut euch das nur an! Es wird mir eine Freude sein, den eitlen Tand in Flammen aufgehen zu sehen. Haltet es einmal hoch.«
Zwei Piagnoni hielten ein Stück Tuch in die Höhe. Offenbar handelte es sich um ein Prozessionsbanner. Eine Frau, eine Heilige, saß auf einem Thron, während zu ihren Füßen Büßer knieten. Sandro schluckte schwer, als er Spinello Aretinos Meisterwerk aus Santo Sepolcro erkannte. Zusammen mit Lorenzo war er hinter diesem Banner marschiert, als sie noch jung waren.Angebetet hatten sie diese Frau, ihre Königin der Barmherzigkeit, Maria Magdalena.
»Doch bevor es brennt, muss ich einen Einschnitt vornehmen«, verkündete Savonarola und zog aus seiner Kutte den kleinen Dolch hervor, den er zu den Mahlzeiten gebrauchte.
Auf dem Banner hielt Magdalena ein Kruzifix. Savonarola setzte die Dolchklinge auf die Leinwand, schnitt entschlossen das gemalte Gesicht Jesu aus dem Kruzifix heraus und barg es in seiner Kutte. »Ich werde das Antlitz unseres Herrn vor den Flammen bewahren. Aber die Hure werft ins Feuer!«
Die anderen Piagnoni bejubelten den Auftritt, während Savonarola den Hof verließ. Sandro warf Colombina einen Blick zu; dann schaute er sich argwöhnisch um. Es waren drei Karren; an jedem waren zwei Piagnoni beschäftigt. Sandro huschte hinüber, um das Banner für seinen Karren zu beanspruchen. Niemand hatte etwas dagegen. Das Banner war sehr groß; sie mussten vorsichtig sein. Colombina und Sandro warteten, bis die anderen Mittagspause machten; dann nahmen sie das Banner, das zuoberst lag, vom Stapel und stopften es unter den Karren. Dort war eine geheime Ablage genau zu diesem Zweck angebracht. Seit die Fegefeuer brannten, hatten Sandro und Colombina die schönsten Kunstwerke und Handschriften der Renaissance gerettet, doch jedes Mal immer nur ein einziges Stück.
Als das Banner sicher verstaut war, wurden beide ruhiger. Es war stets eine gewaltige innere Anspannung, aber jede Mühe wert. Und wenn sie etwas retten konnten, das von besonderer Bedeutung für den Orden war – umso besser. Colombina schaute zum Himmel und lächelte Lorenzo zu. Er half ihr jeden Tag und erleichterte ihr jeden
Weitere Kostenlose Bücher