Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Girolamo, ob Ihr sie nun anerkennt oder nicht.«
Fra Girolamo Savonarola konnte weder den Anblick des kleinen Wechselbalgs ertragen noch den seiner Mutter. Die unreine Dirne, die mit ihrem dürren, unterernährten Mädchen in seine Mönchszelle in San Marco gekommen war, war ein Werkzeug des Teufels. Sie hatte ihn in einem schwachen Moment verführt, und daraus war dieses schmutzige kleine Ding entstanden, diese Teufelsbrut. Das Kind konnte Savonarolas Zukunft als Herrscher der strenggläubigen Republik Florenz gefährden. Sein Geheimnis durfte nie ans Tageslicht kommen; er hatte zu viel zu verlieren.
In den fünf Jahren seit Lorenzos Tod hatte Fra Girolamo die Medici immer mehr in die Enge getrieben. Allzu schwer war es nicht gewesen, denn Piero, Lorenzos Ältester, war ein Dummkopf und ein Pechvogel dazu. Völlig ungeeignet, das Medici-Imperium zu leiten, hatte er die Familie geschäftlich ruiniert, ihre Macht geschwächt und Savonarola in die Hände gespielt, bis dieser schließlich darauf bestand, dass die Medici ins Exil gingen. Savonarola selbst hatte den Palazzo Medici in der Via Larga geplündert, um Brennmaterial für seine Feuer zu beschaffen, und war fündig geworden. Bilder, Handschriften und andere Artefakte, die von verwerflichem Heidentum zeugten, waren aus dem Palazzo geschafft und auf einen der lodernden Scheiterhaufen geworfen worden, die regelmäßig auf der Piazza della Signoria angezündet wurden.
Für seine Fegefeuer, die sogenannten »Fegefeuer der Eitelkeiten«, war Savonarola berühmt geworden. Seine Anhänger gingen mittlerweile in die Tausende. Die Florentiner nannten sie Piagnoni – »die Büßer«, wenn man ihnen freundlich gesinnt war; »die Heuler«, wenn man ihnen lieber aus dem Weg ging. Es war Aufgabe der Piagnoni , sämtliche Gegenstände der Eitelkeit zu sammeln, die in den Feuern brennen sollten. Alles, was den Leib schmückte, ohne Gottes Ruhm zu mehren – ob Duftwässer, Cremes, kostbare Kleidung oder Schmuck –, wanderte ins Feuer. Auch Musikinstrumente wurden verbrannt, stachelten sie doch die Lüsternheit an und leisteten der tierhaften Brunst des Menschen Vorschub, wenn sie auf weltlichen Festen gespielt wurden und Mann und Weib zu ihren Klängen tanzten. Auch alle Bücher, sofern es nicht Bibeln oder Werke der Kirchenväter waren, endeten im Feuer, insbesondere die heidnischen Klassiker. Selbst Kunstwerke blieben nicht verschont, denn die ketzerischen Medici hatten mithilfe von Gemälden und ähnlichen Dingen verborgene Hinweise auf ihre Ketzerei und den geheimen Orden gegeben. Indem Savonarola so viele Kunstwerke zerstörte, wie er nur konnte, raubte er den Ketzern ihre teuflischen Werkzeuge.
Drei Jahre nach dem Tod Lorenzos hatte Savonarola die verhasste Familie aus Florenz vertrieben. Doch jene beiden Medici, die seinem Machtbereich entzogen waren, Giovanni und Giulio, waren in Rom zu Kardinälen aufgestiegen. Der amtierende Papst war ein Borgia und somit Anhänger der Medici – wie nicht anders zu erwarten, denn die Borgia waren für Savonarola noch verderbter als die Medici, Teufel in Menschengestalt! Deshalb bebte er vor Zorn bei dem bloßen Gedanken an die Medici-Brüder und an den Borgia-Papst Alexander VI.
Wenigstens waren sie nun weit weg von seinem Florenz – ja, sein Florenz. Im Jahre 1495 war Savonarola zum unumstrittenen Herrscher der Republik aufgestiegen. Er schuf eine neue Verfassung und führte neue Gesetze der Moral und Glaubensstrenge ein. Von nun an war es verboten, aufgeputzt durch die Straßender Stadt zu gehen, denn Eitelkeit war das schlimmste Verbrechen vor Gott. Niemand wagte es, sich Savonarola entgegenzustellen, und so wuchs seine Macht.
Doch die Existenz dieses Mädchens war ein Problem, das er unverzüglich aus der Welt schaffen musste.
»Ich habe Vorkehrungen getroffen, dass dieses … Kind von der Familie de Pazzi adoptiert wird«, sagte er, ohne die Dirne anzuschauen. Ihr Anblick verursachte ihm Übelkeit. Die de Pazzi waren Verbündete bei der Vertreibung der Medici gewesen und leicht zu handhaben. Sie standen in Savonarolas Schuld, und so hatten sie das Kind in ihre Familie aufgenommen, ohne viele Fragen zu stellen.
»Für deine Mühen werde ich dir hundert Florinen zahlen. Dann wirst du fortgehen und nie ein Wort darüber sagen, zu keiner Menschenseele, und du wirst auch dieses Mädchen nie mehr wiedersehen, sobald sie eine Pazzi geworden ist.«
Die Frau wollte widersprechen, doch Savonarola zog einen Beutel mit
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