Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Schritt auf ihrem schweren Weg.
Sandro und Colombina trafen sich am Abend in der Antica Torre, um ihre Dokumentation fertigzustellen. Die Kunstwerke zu retten,war nicht ihr Hauptziel gewesen. Seit fünf Jahren sammelten sie Beweise gegen Savonarola, schrieben jedes Wort seiner Predigten mit und vermerkten genau, welche Anweisungen er den Piagnoni gab. Savonarola wurde immer fanatischer, je größer seine Macht wurde. Und seine Überheblichkeit machte ihn unvorsichtig.
Savonarola war vom Papst gerügt worden. Der heilige Vater hatte sogar gedroht, ihn zu exkommunizieren und nur deshalb noch nicht gehandelt, weil er keine handfesten Beweise gegen den Mann hatte, den sie mittlerweile nur noch den »Verrückten Mönch« nannten. Savonarola führte eine Schreckensherrschaft nicht nur in Florenz, sondern über weite Teile der Toskana. Der Papst wusste, dass er unumstößliche Beweise brauchte, um eine Exkommunizierung rechtens erscheinen zu lassen.
Colombina und Sandro waren überzeugt, dass das Material, das sie seit Jahren zusammengetragen hatten, ausreichte, um Savonarolas Tyrannei ein Ende zu bereiten, und vielleicht sogar bewirkte, dass er der Ketzerei angeklagt wurde, nachdem die Republik fünf Jahre lang von seinen Piagnoni versklavt worden war. Es war der brennende Wunsch Sandros und Columbinas, die Terrorherrschaft des Verrückten Mönchs zu beenden.
Colombina rief ihren Sohn herbei. Zwar lautete sein Name Niccolò Ardinghelli, doch es war nicht zu übersehen, dass er ein Medici war. Seine Züge waren weicher und glichen denen seiner Mutter, aber er hatte Lorenzos Augen – und einen Großteil seines Mutes. Niccolò fiel die Aufgabe zu, die Beweise gegen Savonarola nach Rom zu bringen. Er würde sie zunächst seinen Brüdern im Orden übergeben, Giovanni und Giulio; dann würden die drei gemeinsam das in fünf harten Jahren gesammelte Material dem Papst vorlegen.
Colombina umarmte Niccolò, wünschte ihm eine gute Reise und hängte ihm das Amulett um, das Lorenzo ihm hinterlassen hatte: das kleine Medaillon mit dem Splitter des Wahren Kreuzes. Es sollte Niccolò auf allen seinen Wegen beschützen.
Kapitel dreiunddreißig
Florenz
Gegenwart
D i e Zeit kehrt wieder, Felicity.« Felicity erstarrte. Eben wollte sie das Pfarrhaus von Santa Felicita verlassen, als ihr Onkel in der Tür erschien. Er ging am Stock, und ein jüngerer Priester stützte ihn. Felicity war erschrocken, ihn so zu sehen; zugleich ärgerte sie sich über den ungünstigen Zeitpunkt, denn sie hatte es eilig.
»Was machst du hier?«, fragte sie. »Und wie kannst du es wagen, so etwas Gotteslästerliches zu sagen?«
»Das ist keine Gotteslästerung, Kind. Es ist die Wahrheit. Und es geschieht , Felicity. Überall um uns her. Die Zeit kehrt wieder, und sie wird uns fortreißen, wenn wir nichts aus der Vergangenheit gelernt haben.«
Sie spuckte ihn an und wollte etwas sagen, doch er hob mahnend die Hand.
»Du musst mich anhören, bevor es zu spät ist. Dies hier ist größer als du, mein Kind. Hörst du, was ich gesagt habe? Mein Kind .«
Felicity setzte sich. Ein Gefühl drohenden Unheils überkam sie. Sie wusste, was er sagen würde, noch bevor er es aussprach.
»Ich bin nicht dein Onkel, Felicity. Ich bin dein Vater. Deine Mutter war … ist … Schwester Ursula.«
Nun wurde ihr klar, weshalb sie in ein ausländisches Internat geschickt worden war. Die Mutter, die sie angeblich nie gewollt hatte, war in Wirklichkeit eine Tante gewesen. Und Schwester Ursula, die gestrenge und doch barmherzige Nonne, die FelicitysVisionen verstand und bei deren Ausgestaltung half, war ihre leibliche Mutter.
Wie Savonarola hatte auch Girolamo de Pazzi gesündigt – und sie, Felicity, war die Frucht dieser Sünde. Die Teufelsbrut.
O Gott. Die Zeit kehrt wieder. Es stimmte tatsächlich.
Felicity de Pazzi rannte aus dem Pfarrhaus in den Garten. Sie fiel auf die Knie, begann zu würgen, zitterte am ganzen Körper, so groß war ihr innerer Aufruhr.
Padre Girolamo folgte ihr nicht. Er war viel zu müde, viel zu schwach vor Krankheit und Erschöpfung. Er konnte nur beten, dass seine Enthüllung Felicity von ihren Plänen abbringen würde.
Doch als er Stunden später die Augen schloss, um ein wenig zu schlafen, sah er in seinen Träumen nichts als Feuer.
RRRRRRRRRRRRR
Montevecchio
Gegenwart
Sie hatten sich in dem gemütlichen Wohnzimmer von Destinos kleinem Haus in der Nähe von Careggi versammelt. Der Hausherr hatte die vier jungen
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